0871 - Der silberne Tod
Menschen, doch diese Rechnung war einfach zu naiv. Was sich diese Gestalt einmal vorgenommen hatte, das führte sie auch durch, denn plötzlich löste sich die Mündung des Revolvers vom Kopf des knienden Mannes, und Hector schwang den Revolver hoch.
Er zielte auf mich.
Und er schoß zweimal!
***
Es war gut, daß ich ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. Und ich hatte auch die Bewegung der Waffe richtig verstanden, zudem früh genug.
Und so tauchte ich unter, bevor er den Revolver noch hatte auf mich richten können. Ich lag auf dem staubigen Untergrund, rollte mich von der Stelle weg, zog meine Beretta, während die beiden Schüsse die Stille der Nacht zerrissen.
Die Kugeln trafen mich nicht, aber ich hörte noch einen dritten Schuß und glaubte, kurz zuvor einen Schrei vernommen zu haben.
Ich kam wieder hoch.
Diesmal mit der Beretta. Da hörte ich bereits die harten Tritte auf der Straße.
Das Skelett floh.
Ich schoß ihm nach.
Erst als die Kugel schon unterwegs war, da fiel mir ein, daß ich auf Hector de Valois gefeuert hatte, wußte aber nicht, ob ich ihn getroffen hatte, denn er hetzte weiter und huschte in den Graben auf der anderen Straßenseite hinein, wo er auch verschwand, da er sich sofort hatte zusammensinken lassen.
Ich rutschte in den Graben vor mir hinein, sah dabei den dunklen Fleck auf der Straße. Durch einen schmalen Streifen war sie mit dem Kopf des Joseph Lacombe verbunden, und mir war klar, daß meine Aktion nichts gebracht hatte.
Der dritte Schuß war es gewesen, der Lacombe erwischt hatte. Ein wahnsinniger Zorn strahlte in mir hoch. Er galt mir selbst und dem verdammten Skelett, weil es mir nicht gelungen war, ihn von seiner Tat abzuhalten.
Ich feuerte quer über die Straße hinweg, als ich es noch einmal sah. Es war für einen kurzen Moment erschienen und auch zusammengezuckt. Hatte ich es erwischt?
Es lief weiter.
Mit langen Sätzen tauchte es zwischen die natürliche Deckung des hügeligen Geländes, so daß ich das Nachsehen hatte.
Es gibt Dinge, die weiß man eben. Ich wußte, daß es für mich keinen Sinn hatte, die Verfolgung aufzunehmen, und so blieb ich dort hocken, wo ich war.
Eine winzige Hoffnung leuchtete noch in mir. Suko hatte auch mit einem Kopfschuß getötet werden sollen, bei ihm war es mißlungen. Vielleicht hatte sich das hier bei Lacombe wiederholt.
Ich schaute mir den leblosen Körper an. Die Kopfwunde war groß. Aus nächster Nähe hatte ihn die Kugel erwischt und sein Leben zerstört. Ihm konnte niemand mehr helfen.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich spürte den inneren Druck, und die Furcht ließ mein Herz schneller schlagen. Das Gesicht des Toten zeigte noch ein großes Erstaunen, aber auch die letzte Bitte um eine lebensrettende Hilfe.
Ich hatte sie ihm nicht mehr geben können und fühlte mich als Verlierer. Man konnte eben nicht immer rechtzeitig kommen, das Leben mischte die Karten, und im Spiel des Schicksals bestimmten andere Personen und Mächte die Regeln.
Als letzten Dienst drückte ich dem Toten die Augen zu. Dann richtete ich mich wieder auf.
Genau da erfaßte mich der bleiche Schein. Ich hörte den Wagen heranfahren. Es war Ramonas Fiat, der auch den Renault mit den beiden zerschossenen Reifen passierte und nicht weit von mir entfernt zum Halten gebracht wurde.
Bevor Ramona ausstieg, löschte sie das Licht. Dann kam sie auf mich Zu. Sie schwankte dabei, den Blick mal auf mich und dann wieder auf die leblose Gestalt ihres Onkels gerichtet.
Sie blieb stehen. Hinter ihr stieg der Abbé aus dem kleinen Wagen, und auch Suko verließ den Fiat.
»Du hast es nicht geschafft, wie?« fragte sie und schluchzte dabei.
»Leider nein.«
»Ich will nichts fragen. Ich will dir auch keine Vorwürfe machen, es war wohl am besten, wie du dich verhalten hast.« Sie preßte für einen Moment die Lippen zusammen. »Bitte, laß mich zu ihm!«
Schweigend machte ich Platz.
Zuerst blieb sie neben der Leiche stehen, dann begann ihr Körper zu zittern, und einen Moment später warf sich Ramona zu Boden. Sie weinte und legte ihren Kopf auf die Brust des Toten. Für mich gab es nicht mehr viel zu sagen, in ihrer Trauer konnte ich ihr sowieso nicht helfen, da mußte sie allein durch.
Aber für uns alle gab es eine Zukunft, und die war mit dem silbernen Skelett verbunden. Als ich den Abbé anschaute, senkte dieser den Blick. Er konnte sich wohl vorstellen, was da auf ihn zukam, und er sagte: »Ich habe es auch nicht ändern
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