0871 - Der silberne Tod
das so schmerzhaft klopfte. Es hämmerte gegen die Rippen und er verspürte leichte Schmerzen Das Atmen wurde ihm zur Qual. Wenn er Luft holte, tat es ihm weh. Kälte kroch durch seine Beine.
Das Blut war dicker geworden. Er hätte sich am liebsten hingelegt, das aber tat er auch nicht, und er wußte, daß er dem Schicksal gegenüber wehrlos war.
Dann sah er das silbrige Schimmern. Es war ein sich bewegender Schein, genau an der Stelle, wo er auch beim erstenmal erschienen war. Er kroch über den Boden, erreichte die Kuppen der winzigen Hügel, malte die Gräser bleich an und die Sträucher ebenso, bevor er sich in die Höhe erhob und Joseph sehen konnte, was dort drüben stand.
Sein Mörder, das silberne Skelett mit dem Revolver in der rechten Knochenhand.
Nicht weit entfernt, nur eine Straßenbreite. Dort lauerte der Tod. Wenn das silberne Skelett schoß, würde es selbst in der Dunkelheit sein Opfer nicht verfehlen können.
Und Joseph konnte sich vorstellen, daß die Kugeln für ihn längst gegossen waren. Er hatte sich schwere Verfehlungen geleistet, er war den falschen Weg gegangen, seinetwegen waren auch Menschen ums Leben gekommen, daran glaubte er fest, obwohl ihm die direkten Beweise fehlten, und er wußte auch, daß die Mächtigen um den Dämon Baphomet keine Gnade kannten. Wie auch die andere Seite nicht. Das silberne Skelett war kein Baphomet-Diener, er hatte nie von ihm gehört, aber wo sollte er es dann einsortieren?
Lacombe schaute zu, wie das silberne Skelett den Graben mit einem lässigen Sprung überwand.
Dann stand es auf der Straße. Sein Kopf bewegte sich nach links und nach rechts, weil es prüfen wollte, ob die Luft auch rein war.
Niemand war zu sehen. Alle hatten eine zu große Angst vor dem Skelett und Lacombe im Stich gelassen. Er stand dem knöchernen Rächer allein gegenüber.
Der trat den ersten Schritt nach vorn. Lacombe schaute auf den Kopf des Knochenmannes. Noch immer konnte er sich nicht vorstellen, daß eine derartige Gestalt tatsächlich existierte. In Geisterbahnen erschreckte man Besucher mit künstlichen Skeletten, in Wirklichkeit gab es sie nicht. Erst recht nicht lebend.
Der nächste Schritt, dann wieder einer. Der rechte Arm des silbernen Knochenmannes schwang mit.
Die Waffe ebenfalls. Er hielt sie nicht gegen Lacombe gerichtet, dieses Wesen war sich seiner Sache einfach zu sicher. Es wußte genau, was es zu tun hatte. Es war der Herrscher.
Die Knochen sahen zwar starr aus, sie bewegten sich trotzdem geschmeidig wie Gummi. Es war kein Klappern oder Klirren zu hören, keine harten Geräusche, auch kein Schleifen der Füße. Es ging wie ein Mensch, auch wenn sein Skelettkörper aussah wie mit einem Metalliclack überzogen.
Joseph Lacombe fragte sich, was er tun sollte. Es vielleicht noch einmal mit Worten versuchen?
Bitten, betteln, flehen und der Gestalt sagen, wie leid es ihm tat? Reue zeigen - war das der richtige Weg, um noch einmal mit dem Leben davonzukommen?
Er glaubte nicht daran. Dieses Skelett war kein Mensch, es hatte keine Gefühle. Es kannte nur die Rache, denn es wurde von anderen Kräften gelenkt. Man mußte es akzeptieren, ebenso wie seine verdammte Waffe.
Vor Lacombe blieb der silbrige Knochenmann stehen. In Schußweite und auf der Straße, die einsam lag und um diese Zeit nicht mehr befahren war.
Der Knochenmann an der rechten Seite wies noch nach unten. Der silbrige Knochenschädel nahm Lacombes gesamtes Blickfeld ein. Er konnte nur ihn sehen und auch die leeren Augenhöhlen, die so leer gar nicht waren. Tief im Hintergrund, beinahe schon wie in einem Schacht verborgen, lauerte eine böse Kraft. Eine Strahlung, der sich der Mann nicht entziehen konnte. Da war etwas Unheimliches, Grauenhaftes, ein Versprechen, das - mit dem Tod endete.
»Ich… ich… habe es nicht gewollt«, flüsterte Lacombe. »Verdammt noch mal, du mußt mir glauben. Ich habe es nicht gewollt. Alles hat ganz anders laufen sollen. Ich bin ein Mensch, der… der… bereut. Ja, ich bereue alles.«
Das Skelett hörte zu. Aber Lacombe fand nicht heraus, ob er auch verstanden worden war, denn eine Reaktion sah er bei seinem makabren Gegenüber nicht.
»Hast du mich gehört?« Er versuchte es wieder. »Ich habe es nicht gewollt. Wirklich nicht.« Seine Worte zitterten, und auch in den Knien spürte er das Zittern.
Keine Antwort.
Schweiß rann über seinen Körper. Schweiß verklebte das Gesicht. Sein Magen zog sich zusammen, und so etwas wie eine erste Todesangst durchfuhr
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