0873 - Gabentisch des Grauens
oder nicht.«
Es sah so aus, als wollte Susan Stone das Messer anheben, zuckte aber zurück und strich fahrig durch ihr Gesicht. Dann sah sie Marty an, der nur grinste.
»Was… was… machen Sie denn jetzt mit ihm?«
»Ich nehme ihn mit.«
»Was?« Sie schluckte. »Wohin denn?«
»Zur Polizei. Immerhin hat Ihr Sohn versucht, mich zu ermorden. Für einen Mordversuch ist die Polizei zuständig. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben, es ist nicht die Polizei, die Sie vielleicht kennen. Ein sehr guter Freund von mir leitet ein besonderes Ressort, und er wird sich bestimmt mit Marty unterhalten wollen.«
»Da muß ich einen Anwalt hinzuziehen.«
»Das bleibt Ihnen überlassen.«
Susan schaute zu Boden. Sie sah aus wie ein Mensch, der nicht wußte, was er tun sollte. »Ausgerechnet jetzt ist mein Mann nicht da. Es kommt immer knüppeldick. Wo wollen Sie ihn hinbringen?«
»Zu Scotland Yard.«
»Und Ihr Freund dort heißt…?«
»John Sinclair.«
»Ach ja.«
»Kennen Sie ihn?«
Susan schüttelte den Kopf. »Nein, nein, schon gut. Ich dachte nur, den Namen schon einmal gehört zu haben.« Ihre Stimme bekam einen bittenden Klang. »Kann ich denn gar nichts für Marty tun?«
»Im Moment nicht. Ich denke auch, daß er bei John Sinclair besser aufgehoben ist, als bei sich im Zimmer.«
»Tja, ich weiß nicht so recht.« In einer spontanen Aktion preßte sie den Jungen an sich, den Bill nach wie vor festhielt, denn er wollte kein Risiko eingehen.
Es war seltsam, er kam mit Susan Stones Reaktion nicht zurecht, und er fragte sich, ob eine Mutter tatsächlich so reagierte. Bill überlegte, was Sheila getan hätte, wenn sie an Susans Stelle gewesen wäre? Er fand keine Lösung, war aber der Meinung, daß sie sich anders verhalten hätte.
»Es wird schon alles wieder gut werden«, sagte Susan. »Verlaß dich darauf. Wir sorgen dafür.«
»Ja«, sagte Marty. Er sprach mit normaler Stimme. Da war nicht mehr der fremde Klang zu hören.
»Bis später dann. Ich telefoniere mit Dad und erkundige mich, welchen Anwalt wir nehmen können.«
»Das ist nett, Mum.«
Susan Stone richtete sich wieder auf und nickte Bill zu. »Ich hoffe, Sie geben gut auf ihn acht.«
»Das verspreche ich Ihnen, Susan.«
Sie drehte sich um und ging. Bill war befremdet, aber er behielt seine Gedanken für sich und wandte sich statt dessen an Marty. »Bist du in Ordnung?«
»Sicher. Sie können mich ruhig loslassen. Der Griff ist verdammt schmerzhaft.«
»Gut, versuchen wir es.«
Marty richtete sich auf. Bill schaute sehr genau in das Gesicht des Jungen, entdeckte aber keine Veränderung darin.
Wie sollte er sich das erklären? War er gespalten? Wer lebte in ihm? Eine Antwort würde ihm Marty wohl nicht geben, auch wenn er ihn noch so oft fragte.
»Gehen wir wirklich zu den Bullen?«
»Ja.«
»Gut.«
»Du hast keine Furcht?«
»Nein, warum denn?«
Sie hatten mittlerweile das Grundstück verlassen, als Bill die entscheidende Frage stellte. »Warum wolltest du mich eigentlich umbringen, Marty? Was habe ich dir getan?«
Der Junge starrte ihn an. »Umbringen?« flüsterte er. »Nein, das ist unmöglich.«
»Doch!«
Marty hob die Schultern.
Für Bill Conolly wurde der Fall immer rätselhafter. Trotz Martys Wandlung beschloß er, auf der Hut zu sein…
***
Den Morgen hatten Suko und ich praktisch im Büro vergammelt, und das hatten wir uns auch nach den Ereignissen in Frankreich und in der tiefen Vergangenheit, in die ich zusammen mit dem Abbé gerutscht war, verdient. Wieder zurück in London wollten wir es langsam angehen lassen, nur nichts überstürzen, den alten Fall einmal aufarbeiten, wobei wir immer an einem Namen hängenblieben.
Godwin de Salier!
Wir hatten den schwerverletzten Templer aus der Vergangenheit in unsere Zeit hineingebracht, und das war natürlich für Abbé Bloch etwas Wunderbares gewesen. Nach der Genesung des Mannes würde er sich endlich mit einem Zeitzeugen unterhalten können und dabei sicherlich Dinge von größter Wichtigkeit erfahren.
Darum konnten wir uns leider nicht kümmern, denn unser Platz war in London.
Auch wer am Morgen herumgammelt, hat ein Recht auf ein Mittagessen und so luden wir Glenda ein, mal richtig zu speisen. Sie war nicht begeistert, obwohl sie den Italiener in der Nähe liebte.
»Das macht alles nur dick«, sagte sie.
»Du hast doch abgenommen, während wir in Frankreich waren.«
»Ach ja?«
Ich nickte ihr zu. »Du mußt einfach abgenommen haben, Glenda.«
»Dann nenn mir
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