0873 - Gabentisch des Grauens
Gebet nehmen.«
»Das habe ich getan, Susan, Aber gleiches Recht für alle. Auch Sie sollten mit Marty sprechen. Wenn möglich, lassen sie es in meinem Beisein geschehen.«
Susan Stone brauchte nicht lange nachzudenken. »Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Marty wird Ihnen schon noch erklären, daß alle Vorwürfe aus der Luft gegriffen sind.«
»Ich wünsche es uns sogar.«
»Aha.« Susan triumphierte leicht. »Dann sind Sie auch der Meinung, daß die Dinge anders ablaufen könnten. Hundertprozentig sind Sie sich nicht sicher.«
»Was Johnny angeht, schon.«
»Himmel, warum heben Sie Ihren Sohn über alle anderen hinweg?«
»Pardon, Susan, tun Sie das nicht auch?«
Plötzlich war sie wieder locker. »Irgendwo schon, Bill. Wir sind als Eltern natürlich befangen. Lassen wir es einfach darauf ankommen.«
»Das wäre mir sehr recht.«
Susan Stone sagte nichts mehr. Sie warf Bill nur einen scharfen Blick zu, bevor sie sich drehte und an der Hauswand in die Höhe schaute. »Martys Zimmer liegt in der ersten Etage. Das Fenster ist leicht gekippt. Er hält sich dort auf und wird mich hören können, wenn ich ihn rufe.« Susan redete nicht mehr lange um den Vorsatz herum, sondern setzte ihn in die Tat um. Sie rief den Namen ihres Sohnes. Das nicht einmal leise. Er mußte sie einfach hören.
Aber Marty reagierte nicht.
Nach dem dritten Ruf räusperte sich die Frau und brauchte einen Schluck. Während sie trank, fragte Bill: »Sind Sie sicher, daß sich Marty im Haus aufhält.«
»Klar. Er hat etwas gegessen und wollte dann für die Schule arbeiten. Ich habe ihn an der Haustür begrüßt. Das Essen hat er sich selbst in der Mikrowelle warm gemacht.«
»Danach haben Sie ihn nicht mehr gesehen - oder?«
»Nein. Ich gehe einfach davon aus, daß er sich in seinem Zimmer aufhält.«
»Anscheinend nicht. Sonst hätte er sich gemeldet.«
»Warten wir es ab, Bill. Vielleicht ist er gerade mal zur Toilette gegangen.«
»Okay, versuchen Sie es später.«
Es verstrichen zwei, drei Minuten, in denen sich Bill Martys Vorzüge anhören mußte, so daß er sich beinahe wie ein Schuft vorkam, daß er es wagte, den Jungen überhaupt zu verdächtigen. Susan machte ihm mehrmals klar, welch ein normales Leben Marty doch führte, im Gegensatz zu vielen anderen Jugendlichen.
»Was ist denn für Sie normal?«
»Nun ja, da sind die Grenzen fließend. Jedenfalls turnt er nicht in diesen Discos herum, die unter der Überschrift Rock, Sex und Drugs laufen. Damit hat er nichts am Hut. Er hängt nicht an der Nadel, wenn Sie das gemeint haben könnten.«
»Auf keinen Fall. Was war denn so seine Disco oder sein Lokal, in das er ging.«
»Geht, Bill, geht.«
»Pardon.«
»Es ist das ›Limelight‹.«
»Oh.«
Susan lächelte. »Sie wundern sich bestimmt über den Namen. Marty hat mir mal gesagt, daß es eine Kirchendisco ist und er wieder zurück auf den rechten Weg finden will. Das ist doch toll - oder? Und jetzt kommen Sie und wollen mir weißmachen, daß ein junger Mensch, der in eine Kirchendisco geht, einen anderen umbringen wollte. Wenn etwas im Leben paradox ist, dann dies.«
»Ich weiß nicht so recht.«
»Sie haben noch Zweifel?« staunte Susan.
»In der Tat. Verwechseln Sie bitte nicht Kirchendisco mit Kirche. Die Welle der sakralen Nightlifes ist leider von den Staaten her auch nach Europa geschwappt. Es gibt diese Discos in London ebenso wie in Paris, Hamburg, Köln oder Berlin.«
»Dann kennen Sie sich aus?«
»Nicht direkt, aber ich habe mir vorgenommen, über diese Szene einen Bericht zu schreiben.«
»Harmlos, Bill, völlig harmlos. Dort finden die Besucher wieder zu sich selbst. Sie sind auf der Suche nach dem, was uns vielleicht verloren gegangen ist.«
Und wenn es mit einem Mordversuch endet? Bill sprach seine Gedanken nicht aus.
Wieder rief Susan Stone nach ihrem Sohn.
Eine Antwort erhielt sie auch diesmal nicht.
Beide Hände legte sie auf die Lehne und drückte sich in die Höhe. Dann griff sie nach dem Bademantel und streifte ihn über. Mit hängenden Schultern blieb sie stehen. »Das verstehe, wer will, ich jedenfalls nicht.«
»Kann es denn nicht sein, daß Marty das Haus verlassen hat?«
»Dann hätte er mir Bescheid gesagt.«
»Macht er das immer?«
»Ja!« blaffte sie den Reporter an. »So gut erzogen ist mein Sohn immerhin, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen.«
Bill überhörte den aggressiven Ton geflissentlich und schlug vor, einmal in Martys Zimmer zu gehen.
»Was wollen Sie
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