0880 - Der Vampir von Cluanie
vernichten, Matlock!«
»Später vielleicht«, höhnte der Vampir. »Aber nicht jetzt!«
Dann löste er sich auf. Gryf folgte ihm nicht sofort. Er musste sich um Rhett kümmern. Der Erbfolger hockte auf dem Boden und sah den Silbermonddruiden mit einem gläsernen Blick an.
»Er hat das Ritual beendet. Mein altes Ich hat sich aufgelöst.«
»Was hat das zu bedeuten?«, wollte Gryf wissen.
»Ghared ist deswegen nicht verwest, weil er mit Matlock geistig verbunden war. Wäre Matlock vorher gestorben, vielleicht von dir gepfählt, wäre das alles nicht geschehen. Aber er hat die Zeit überlebt und wartete darauf, bis der Llewellyn-Bann von ihm genommen war.«
»Warum geschah es ausgerechnet jetzt?«
Rhett zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht!«
Gryf half dem jungen Erbfolger auf und fragte: »Und was bedeutet es, dass Ghared jetzt verwest ist?«
»Dass Matlock nun ein Llewellyn ist!«
***
In Cluanie bemerkte McCoy, dass er sich verändert hatte. Und er fühlte auch, dass jener, der ihn geschaffen hatte, nicht mehr existierte. Es war ein kurzer, sengender Schmerz, der ihn hatte zusammenzucken lassen. Nun schaute der dickliche Mann in die Nacht hinaus. Cluanie lag vor ihm. Hilflos. Er würde hinausgehen können, um sich das Blut von jenen zu nehmen, die ahnungslos in ihren Betten lagen.
Doch dann wurde er plötzlich müde. Er fiel rücklings zu Boden. McCoy schaffte es nicht mehr, wach zu bleiben. Er fiel in einen langen, tauben Schlaf, wie es schien. Kein Herzschlag. Kein Puls.
Nur bleich und tot lag er da. Neben ihm sein kläffender Bernasenhund Charles. Dieser bellte bis zum frühen Morgengrauen - bis einer der Dorfbewohner darauf aufmerksam wurde und sich bis zum Mittag gestört fühlte. Die Polizei und die Spurensicherung kam. Keiner ahnte, woran der alte, dickliche Mann gestorben war. Der Leichenbestatter holte ihn ab, und eine Woche später wurde McCoy im Zuge einer Trauerfeier, die sein in London lebender Neffe organisierte, beigesetzt…
***
Gryf brachte Rhett per zeitlosem Sprung nach Llewellyn-Castle. Dort erzählten sie Zamorra und Nicole, was sich ereignet hatte und was sie vermuteten. Zamorra zog kritisch die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Das gefällt mir nicht!«
»Wir sollten hier eine Wache oder ähnliches abstellen«, schlug Gryf vor und erntete wenig erfreute Gesichter.
»Und wem willst du diese Aufgabe zukommen lassen?«, fragte Zamorra.
»Ich werde hier täglich zwei bis drei Mal vorbeischauen«, bot sich Gryf an. »Das bin ich Ghared und Bryont schuldig, wie ich finde.«
»Und mir nicht?«, fragte Rhett etwas beleidigt.
Zamorra konnte verstehen, dass der Junge diese Frage stellte. Schließlich war er im weitesten Sinne ja auch Bryont und Ghared. Gryf verstand sofort, was Rhett meinte und nickte dem Jungen zu. »Dir natürlich auch, alter Freund!«
***
Vergangenheit, Llewellyn-Castle, 939:
»Du scheinst es zu riechen, Gryf, wenn es ein Fest zu feiern gibt«, bemerkte der greis gewordene Laird, der in der vornehmen Kleidung des Adels auftrat und in Lederstiefeln und Wams elegant aussah.
»Sonst wäre ich nicht ich«, lachte der Silbermonddruide und betrachtete die junge Ciaire, die schüchtern etwas Honigwein in einen Humpen füllte, der vor dem Laird stand. »Außerdem nähert sich doch so etwas wie die Erbfolge, oder?«
Ghared nickte. »Das stimmt wohl.«
»Und da wollte ich aufpassen, dass dir nichts geschieht!«, schmunzelte Gryf und lehnte sich in seinem Fellsessel zurück.
»Dann kommst du zwei Tage zu spät, mein Freund«, knurrte Ghared und trank den vorzüglich schmeckenden Honigwein.
»Ist etwas geschehen?« Gryf schaute besorgt zu seinem alten Freund und sah ihm an, dass Sorgen ihn plagten. Schon hatte der Silbermonddruide keinen Blick mehr für Ciaire, und auch der Klang der Dudelsäcke verschwand für ihn im Hintergrund. Der feine Rinderbraten, von dem er sich ein großes Stück abgeschnitten hatte, interessierte ihn nur kurz.
»Ich hatte ein unschönes Erlebnis mit der anderen Seite, und ich weiß nicht, was sie mir mal bringen wird.«
»Ärger, vermute ich«, murmelte Gryf.
»Du musste mir etwas versprechen…«, Ghared war mit einmal sehr ernst, und das machte Gryf stutzig.
»Was?«
»Dass du immer ein Auge auf mich und meine jüngeren Ichs wirfst.«
»Hä?«
»Ich bitte dich nur darum, mehr kann ich nicht verlangen. Denn wenn mein Wirken ins Bewusstsein meiner künftigen Ichs gelangt, kann das schädlich sein für die
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