0880 - Ich will dein Blut, Sinclair!
ich noch nicht. Barfuß näherte ich mich tappend dem schmalen Schrank, der schon mehr einem Spind glich. Er bestand aus hellem Holz, der Schlüssel steckte im Schloß. Ich drehte ihn, zog die Tür auf und nickte zufrieden, als mein Blick auf die Kleidung fiel.
Meine Kleidung.
Man hatte sie dort aufgehängt. Es fehlte nichts, und ich war froh, endlich das blöde Nachthemd loszuwerden, in dem ich mir lächerlich vorkam. Ich knüllte es zusammen und stopfte es in den Schrank. Danach zog ich mich an. Dabei mußte ich mich sehr langsam bewegen, denn jede zu hastige Bewegung rächte sich schmerzhaft in meinem Kopf. Beim Anziehen stellte ich fest, wie wenig fit ich noch war, denn liegend im Bett hatte ich mich besser gefühlt. Nur meine Beretta war verschwunden, und das ärgerte mich.
Wahrscheinlich hatten die Ärzte sie in Sicherheit gebracht, damit sie nicht in unbefugte Hände geriet.
Da war leider nichts zu machen, aber ich besaß noch mein Kreuz, und das war gut so.
Die Socken waren durch das Laufen im Wald nicht gerade sauberer geworden, und ich hoffte, daß man mir auch verzieh, als ich mich mit den Schuhen wieder ins Bett legte. Bevor ich mich zudeckte, wechselte das Kreuz von meiner Brust in die Hosentasche. Ich hätte es auch offen vor der Brust hängen lassen können, das aber schränkte mich etwas zu stark ein, denn es gab durchaus Situationen, wo es wichtig war, das Kreuz auch als Wurfgeschoß einzusetzen.
Nur die Jacke hatte ich im Schrank hängenlassen. Die Tür war wieder geschlossen, ich hatte die Decke hoch bis zum Kinn gezogen und würde ebenso schauspielern können wie beim Kontrollbesuch der Schwester.
Ich blickte auf die Uhr.
Bis zur Tageswende waren es noch gute zwei Stunden, die verdammt lang werden konnten, falls der unheimliche Besucher nicht schon vorher eintraf.
Mir blieb jetzt nur die Warterei…
***
Dorena Camdon hatte das Krankenhaus betreten können. Auf dem Dach hatte sie einen Einstieg gefunden, und nichts mehr wies auf eine Riesenfledermaus hin, denn die Metamorphose hatte bei ihr perfekt geklappt. Sie hatte auch den Zustand des Wolfes überwunden und war in den eines menschlichen Vampirs übergegangen.
Der kurze Rock, die weiße Bluse, das dunkle, leicht klebrig wirkende Haar.
So würde sie auffallen, und sie würde darauf achtgeben müssen, nicht erwischt zu werden. Wer sie so sah, konnte sich nur erschrecken. Die Folge davon war ein Alarm, den sie auf keinen Fall gebrauchen konnte. Vorsichtig sein, das Richtige tun und vor allen Dingen versuchen, sich den Gegebenheiten anzupassen.
Dazu brauchte sie andere Kleidung.
Zumindest einen weißen Kittel, den sie über ihre auffällige und verschmutzte Kleidung streifte. Es war kein Problem für sie. Außerdem hatte sie Glück, denn nicht weit von einem Lastenaufzug im oberen Stockwerk entfernt stand ein mit Wäsche beladener Wagen, auf dem auch Kittel lagen. Sie konnte sich sogar die richtige Größe aussuchen, zog den Kittel an und schloß die Knöpfe beinahe bis zum Hals.
Dorena Camdon war zufrieden. Ihr Feind befand sich in diesem Krankenhaus, sie mußte ihn nur noch finden und dazu einige Etagen tiefer gehen. Er war für sie wie ein Magnet, sie spürte auch als Mensch seine Ausstrahlung, aber sie beging nicht den Fehler, sofort zu ihm zu eilen, sondern zog eine schmale Eisentür am Ende des Ganges auf. Durch sie konnte Dorena das Treppenhaus betreten.
Breite Stufen, eine kalte, klebrige Luft, die einen besonderen Geruch absonderte, das alles umgab sie, ohne sie jedoch zu stören. Sie lief sogar ziemlich leichtfüßig die Stufen hinab, immer darauf achtend, ob ihr auch von unten her auch niemand entgegenkam.
Wieder war das Glück ihr hold.
Sie lachte.
Es war kein normales Lachen, eher ein böses Kichern, was allerdings zu dieser Gestalt paßte. Die Augen hatten einen fahlen Metallglanz bekommen, was gierig wirkte. Ein paarmal leckte sie über ihre Lippen, und als sie mit der linken Handfläche über das Geländer strich, lauschte sie den quietschenden Geräuschen. Ein besonderer Geruch umgab sie. Es war der Gestank, der sich aus ihren Poren drückte. Ein Mensch hätte ihn als süßlichwiderlichen Blutgeruch eingestuft, für Dorena aber war es das herrlichste aller Parfüme.
Sie blieb stehen, als sie das zweite Stockwerk erreicht hatte. Diesmal schaute sie auf die Rückseite einer schmalen Eisentür. Die Lippen zog sie zurück. Die beiden Vampirzähne lagen frei und schimmerten bleich.
Jetzt war sie da.
Nur noch wenige
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