0880 - Ich will dein Blut, Sinclair!
gewaltige Fledermaus, die über die Baumwipfel auf der Suche nach Beute hinwegstreifte.
Was es nun genau war, ob Wolf oder Fledermaus, das hatte mir Brandon King auch nicht sagen können. Jedenfalls war das seltsame Tier von mehreren Zeugen gesehen worden, King gehörte leider nicht dazu, dafür hatten es zwei seiner Waldarbeiter gesehen, und die waren wirklich nicht betrunken gewesen.
Während des Gesprächs mit Sir James war ein paarmal der Name Vampir gefallen und nicht einfach so, sondern doch mit einem sehr ernsten Unterton in der Stimme, wobei ich erst abwarten wollte, denn gesehen hatte ich diesen angeblichen Vampir noch nicht.
Es war auch die erste Nacht, die ich auf dem Hochsitz verbrachte. Zwei oder drei sollten es werden, was mir gar nicht in den Kram paßte.
Ich erreichte die Plattform, auf der sich eine schmale Sitzbank befand.
Nach vorn hin war sie offen, im Rücken schützten uns mächtige Baumstämme vor dem Wind, und das Dach auf dem Hochsitz verhinderte, daß wir bei Regen naß wurden.
»Hat die Zigarette geschmeckt?« fragte King.
Ich grinste ihn an. »Eigentlich wollte ich ja nicht mehr rauchen, im Wald schon gar nicht, aber hin und wieder überkommt es mich eben.« Ich hob die Schultern und ließ mich auf die schmale Sitzbank fallen.
»Da kann ich nicht mitreden.«
»Seien Sie froh.«
»Obwohl ich hin und wieder mal eine Pfeife rauche«, schränkte er ein.
Ich schaute zu Brandon King hoch, denn er stand neben mir. »Das macht Sie mir noch sympathischer, Brandon.«
»O danke.«
Der Förster war ein Mann, der mit beiden Beinen mitten im Leben stand. Er war Naturschützer, er war Heger und Pfleger, und er hatte den Blick für die Realität nicht verloren. Er wußte, daß hin und wieder auch Opfer gebracht werden mußten, um das ökologische Gleichgewicht des Reviers zu halten, und er ging bei seiner Arbeit auch davon aus, daß Rotwild geschossen werden mußte, wenn es sich zu stark vermehrte und die Tiere sich gerade am frischen Grün der jungen Bäume labten, die unbedingt für eine Aufforstung des Waldes nötig waren.
Brandon war in meinem Alter. Er hatte ein breites Gesicht mit einem breiten Mund und einem eckigen Kinn. Der Haut war anzusehen, daß er sich oft in der freien Natur aufhielt. Diese Bräune war echt und stammte nicht von der Sonnenbank.
»Haben Sie schon etwas gesehen, Brandon?«
»Nein, nichts.« Der Förster schüttelte den Kopf und nahm neben mir Platz. Er deutete auf das vor seiner Brust hängende Glas. Ein kochempfindliches Gerät mit einem Restlichtverstärker ausgestattet, das aber bei dieser nebligen Dunkelheit schon seine Grenzen aufgezeigt bekam. »Wir haben uns eine schlechte Nacht ausgesucht, aber darauf hatten wir keinen Einfluß. Die da oben«, er deutete gen Himmel, »haben bestimmt, was Sache ist.«
»Wann beginnt die Jagd?«
»In fünf Tagen.«
»Abblasen können Sie die Schau nicht?«
»Nein, auf keinen Fall. Was hätte ich denn als Grund abgeben sollen? Können Sie mir das sagen? Soll ich sagen, daß sich in den Wäldern ein komisches Tier herumtreibt, von dem es weder Fotos noch Beschreibungen gibt? Unmöglich, John. Die würden mich auslachen, vielleicht sogar zu recht.«
»Ja, das sehe ich ähnlich.«
»Also bleibt uns nichts anderes übrig, als uns die Nächte um die Ohren zu schlagen.«
Brandon King hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Bevor ich noch etwas hinzufügen könnte, erweiterte er die Öffnung des neben ihm stehenden Rucksacks, griff einmal hinein und holte zielsicher eine Warmhaltekanne hervor. Er drehte den Deckel auf. Der Geruch von Tee und Rum stieg mir in die Nase, wobei letzterer überwog.
King grinste mich an. Auf seinem Kopf wuchs das dunkelblonde Haar wie Stoppeln, er strich darüber hinweg, als wollte er sich etwas Besonderes gönnen. »Jaaa«, sagte er dann langgedehnt. »Niemand hat uns verboten, Proviant mitzunehmen. Das ist der flüssige, John. Ich habe auch noch festen. Schokolade mit Rum. Sie glauben gar nicht, wie gut sie zu meinem Spezialtee paßt.«
»Meinen Sie?«
»Ja, wollen Sie probieren?«
»Gern.«
Becher hatte der gute Förster auch mitgenommen. Sie bestanden aus dickem Steingut und konnten auch dann festgehalten werden, wenn der heiße Tee darin schwappte.
Zuerst brach Brandon die Schokolade, dann goß er die beiden Becher voll, reichte mir einen, prostete mir zu, steckte Schokolade in seinen Mund, kaute, schluckte sie und trank erst dann.
Ich beobachtete ihn dabei und konnte mich nur
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