0883 - Mörderisch
stand weit offen, die Zunge hing ihm wie ein alter Schlauch hervor, die Augen waren wie Metallknöpfe in seinen Höhlen, in denen sich das Licht gefangen hatte.
Aber es fing sich auch auf meinem Kreuz, und das Silber reflektierte den Schein.
Es warf ihn zurück, und der Killer stand so nahe vor mir, daß er ihm nicht entkommen konnte.
Plötzlich heulte er auf, als ein Reflex über sein Gesicht huschte. Eine gewaltige Kraft wuchtete ihn zurück. Wie ein Rammbock fegte er durch die Reihe der Kinder, schleuderte einige von ihnen zu Boden, wobei sich ihre starre Furcht löste und nun das große Geschrei anfing, was Natas ebensowenig kümmerte wie mich.
Ich jagte hinter ihm her. Es war mir nicht bekannt, ob es in der Scheune noch einen zweiten Ausgang gab, auf keinen Fall wollte ich ihn jetzt noch entkommen lassen, denn der Killer war angeschlagen, das entnahm ich seinen torkelnden Bewegungen, die nicht nur die Beine, sondern auch die Arme mit einschlossen.
Plötzlich sah ich ihn fallen, als wäre er über irgend etwas gestolpert. Dann erklang ein hartes und sperriges Rascheln. Auf meinem Weg zu Guthry fiel mir wieder ein, daß wir uns in einer Scheune befanden, und eine Scheune diente als Lager für Heu und Stroh.
Tatsächlich war der Killer in einen Heuhaufen gefallen. Er hatte sich durch die Wucht des Aufpralls regelrecht hineingedreht und würde Mühe haben, wieder hervorzukriechen.
Er bewegte sich in dieser Deckung. Er tat alles, um wieder freizukommen, aber die Strohmassen über ihm spielten nicht so mit, wie er es sich vorgestellt hatte.
Sie rutschten immer wieder nach, brachen über ihm zusammen. Er verlor die Orientierung und hatte Mühe, sich wieder aus den Ballen zu befreien. Ich war stehengeblieben, hielt das Stroh unter Kontrolle und lauerte auf eine günstige Gelegenheit, ihm endgültig den Garaus machen zu können.
Die ergab sich bald.
Innerhalb des Strohs drehte er sich. Ich sah für einen Moment seinen Rücken, wollte schon mit dem Kreuz zustoßen, als er die Bewegung fortführte und mir plötzlich sein Gesicht aus dem Stroh entgegenschaute. Noch besser - oder?
Ich zögerte, denn er sprach mich an. Und diese Worte überraschten mich tatsächlich.
»Wen willst du denn töten, Mann mit dem Kreuz? Wen?«
»Dich!«
Er sah aus, als wäre nur mehr das Gesicht von ihm vorhanden. Der Körper war voll und ganz verschwunden. Und dieses Gesicht lebte. Auf ihm spiegelten sich Gefühle. Es zeigte Triumph, es zeigte Freude, es zeigte mir ein Fletschen der Zähne. Es war wie eine Maske, aber es war zugleich verdammt echt.
Wie auch die Worte. »Nein, Mann mit dem Kreuz. Du kannst mich nicht töten, denn ich bin aus dem Toten heraus geboren.« Er kicherte. »Ich bin längst gestorben, ich bin nur seine geistige Projektion. Ich bin der Rest, ich bin die Energie, die aus seinem Körper floß und aufgefangen wurde. Er hat sie im Angesicht des Todes freigelassen, und aus dieser Energie bin ich entstanden. Ich bin der Kanal für die Hölle, ich bin der zweite Guthry, sein Spiegelbild. Nach dem Tod des ersten entstand ich und machte in seinem Sinne weiter.« Er lachte schaurig, und mir rann ein kalter Hauch über den Körper.
»Du bist also nicht der echte?«
»Nein.«
»Und wo ist der?«
»Vergraben, begraben, tot und vergessen. Er wurde gestellt und umgebracht. In dem Krankenhaus in dem er damals lag, entstand ich neu, und niemand hat es bemerkt. Ich bin an seiner Stelle in das Gefängnis gewandert und habe dort die Vertretung des Teufels übernommen.«
»Dann hast du den echten vernichtet?«
»Ja.«
»Wie?«
»Ich brachte ihn im Krankenbett um und habe ihn heimlich aus dem Krankenhaus schaffen können. Er liegt im Garten der Klinik verscharrt. Ich aber bin die böse Energie, die ihn ihm steckte. Ich bin besser als er. Ich habe es schon damals bewiesen, als ich ihn verscharrte, denn ich konnte alle täuschen. Falls du es nicht weißt, Mann mit dem Kreuz, jeder Mensch verfügt über Energie, die ihr Seele nennt. Die des echten Guthry war sehr böse, aber meine ist noch böser. Ich bin die lebendige Projektion seiner Seele, wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin das neue Geschöpf, ich bin der Versuch, ich werde weitermachen und…«
»Nein, das wirst du nicht!« sprach ich mit harter Stimme dazwischen. »Mögen die Mächte der Hölle auch noch so stark sein und immer wieder versuchen, die Seelen der Menschen zu manipulieren, ich bin erschienen, um so etwas nicht zuzulassen. Du bist ein Monstrum, du
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