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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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mehr da. Es war nichts zu hören, es wurde nur stockdunkel, trotz der Fackeln, die vorerst noch genügend Licht gaben. Ich riss eine aus ihrer Halterung und rannte sofort zu dem Punkt, wo die Türöffnung gewesen war. Doch es gab nichts als die bemalte Wand. Nur feste Mauer, keine Fuge, keine Ritze, nichts. Selbst die Gemälde gaben keinen Hinweis darauf, dass es eine Lücke in ihnen gegeben hatte.
    Nichts.
    Ich kann das Gefühl, das mich beschlich, nicht beschreiben. Es war keine Panik, es war weit schlimmer. Ich wagte
    Oft nicht, mich umzudrehen und lauschte in die Dunkelheit hinein. Nichts konnte ich hören, gar nichts. Und doch war da jemand. Ich spürte seine Gegenwart. Und er schien näher zu kommen!
    Man mag glauben, es wäre einfach gewesen, sich zusammenzunehmen, den Colt zu ziehen, der an meinem Gürtel hing, und kurzerhand einen Schreckschuss abzugeben, doch das Grauen lähmte mich. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrich, in dem der unsichtbare Schatten im Dunkeln um mich herumschlich, mich beobachtete. Ich wagte nicht, mich umzudrehen.
    Plötzlich - ich weiß nicht, wie lange ich so dastand - flackerten die Fackeln und gingen aus. Gleichzeitig begann eine Stimme zu sprechen, die nicht von dieser Welt schien. Sie war tonlos, flüsternd, ein wenig kratzend und schien zuerst nicht zu mir zu sprechen. Mein Grauen nahm überhand. Mein Inneres schrie - und ich wusste nicht, ob diese Schreie stumm waren, oder ob ein Mensch sie gehört hätte, hätte er neben mir gestanden. Wie dem auch sei, ich konnte die Stimme die ganze Zeit hören, aber ich wusste vor lauter Schrecken nicht, was sie sprach.
    Ich wusste nur eines: Sie kam langsam auf mich zu, und noch immer brachte ich nicht den Mut auf, mich umzudrehen.
    Und schließlich verstand ich, was sie sagte.
    »Du bist hier in Copán, der Stadt des Blutes und des Vampirs, der dem Buluk Chaptan gefällt. Du gehörst jetzt mir. Folge mir, Fremder.« Die Sprache, die er benutzte, war altes Maya, das zumindest registrierte ich. Die Frage, warum ich es auf einmal verstand, obwohl ich es eigentlich nur sehr unzureichend sprach, stellte sich mir erst gar nicht.
    Ich konnte nicht antworten und blieb wie paralysiert stehen. Plötzlich schien mir die Stimme einen Eishauch direkt ins Ohr zu atmen. »Ich sagte, folge mir!« Ich weiß nicht warum, es war ja sowieso stockdunkel, aber ich drehte mich mit geschlossenen Augen um. Ich wollte nichts sehen, wenn ich der Stimme schon gehorchen musste.
    Ich stolperte seltsam orientiert durch die absolute Dunkelheit, als leite mich ein Wille, der nicht der meine war. Ich bewegte mich mechanisch vorwärts, obwohl jede Faser meines Körpers davonlaufen wollte. Mein Begleiter war die ganze Zeit anwesend und murmelte weiterhin Beschwörungen vor sich hin, die mir eigentlich lächerlich hätten anmuten sollen. Aber nach wie vor klang diese Stimme nicht wie eine menschliche - so tonlos, so grausam, so endlos kalt…
    ***
    Die Dämmerung setzte bereits ein, als die beiden Franzosen auf dem Platz unten ankamen. In kurzen Worten berichtete Zamorra Montejos wissenschaftlichem Assistenten, was vorgefallen war. Wie befürchtet, war auch Rodrigo ratlos und besorgt. Er hatte seinen Vorgesetzten nicht mehr gesehen, seit dieser mit dem Franzosen auf die Pyramide geklettert war.
    Rodrigo hatte die ganze Zeit auf einem Stein am Rande der Anlage gesessen und hatte einen Zeichenblock auf den Knien, auf dem eine halb fertige Skizze des Ballspielplatzes zu erkennen war. Sie war noch sehr improvisiert und unstrukturiert, ließ aber erahnen, zu welchen Kunstwerken Elian mit der nötigen Zeit in der Lage gewesen wäre.
    Nicole vergaß sogar für einen Augenblick die seltsamen Vorgänge hier. »Ich wusste gar nicht, dass Sie so gut zeichnen können«, sagte Nicole anerkennend und setzte sich zu ihm. Trotz sichtbarer Besorgnis hellte sich Elians Gesicht auf, als er auf sein Bild angesprochen wurde. Er legte den Kohlestift zur Seite und wies auf den Zeichenblock auf seinen Knien. »Ach, das«, wiegelte er ab. »Es ist nur… dieser Platz ist so bedeutsam, so vielseitig. Geradezu ein magischer Ort ist das hier. Aber Sie beide verstehen das sicher. Es ist so schade, dass alles, was die meisten Besucher aus aller Welt mit ihm verbinden, diese verfluchte Szene aus dem Mel-Gibson-Film ist.«
    Nicole sah ihn fragend an.
    »Na, ›Apocalypto‹. Der vielleicht brutalste Film, der jemals über die Mayas gedreht wurde. Nun ja, viele waren es ja nicht, aber dennoch. Über

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