0886 - Der U-Bahn-Schreck
ihm recht.
Ich hatte eine weitere Frage: »Sie haben doch sicherlich über eine Erklärung nachgedacht.«
»Natürlich. Schon bei der ersten schrecklichen Begegnung, bei ihrem Tod.«
»Da ist dann keine Leiche gefunden worden.«
»Richtig. Keine Leiche und auch keine Leichenteile. Wäre das Blut nicht gewesen, hätte man mich für einen Spinner gehalten und für dienstuntauglich erklärt, doch ich bleibe bei meinen Aussagen.«
»Denken Sie auch darüber nach, warum diese Tote gerade zu Ihnen gekommen ist?«
»Ja, Mr. Sinclair, aber den Grund kenne ich nicht.«
»Weil Sie Ihren Tod erlebt haben.«
Er überlegte. »Warum will sie sich denn unbedingt mir zeigen? Was hat das zu bedeuten?«
»Das weiß wohl keiner«, antwortete ich. »Wenn alles so abgelaufen ist, wie Sie es uns berichtet haben, dann muß eigentlich jemand in der Nähe gewesen sein, der die Leiche der jungen Frau hat verschwinden lassen.«
»Ja, Sir.« Er atmete schnaufend ein. »Entweder die Leiche oder die Leichenteile. Ich tippe eher auf die Leichenteile, denn als ich die Frau zum zweitenmal sah, da kam sie mir doch sehr zusammengeflickt vor.«
Zusammengeflickt, das schien die richtige Erklärung zu sein, und unser Besucher rückte noch mit einem Vergleich heraus. »Wie dieses Monster von Doktor Frankenstein, das Sie ja sicherlich kennen, denke ich.«
»Richtig, Mr. Polvera, wir kennen es.«
»Ein weibliches Frankenstein-Monster.«
»Das Sie aber dann nicht mehr gesehen haben, nehme ich an. Es kam zu keiner dritten Begegnung.«
»Nein, Sir.«
»Und was, denken Sie, sollen wir tun?«
Er schaute mich an, danach Suko. »Ich meine, ich bin kein Polizist, meine Herren.«
»Aber Sie haben sich bestimmt Gedanken gemacht«, sagte Suko. »Das schon.«
»Dann raus damit.«
Er lächelte verlegen. »Es ist ja so… ich … ich dachte, daß Sie und Ihre Kollegin vielleicht Streife gehen können an bestimmten Stationen.«
Ich mußte lächeln, und auch Suko konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Er gab auch die Antwort. »Das wird nicht so einfach sein, Mr. Polvera. Es geht schon deshalb nicht, weil die Personaldecke bei der Polizei doch ziemlich dünn ist. So viele Beamte können gar nicht abgestellt werden, das müssen Sie einsehen.«
Er starrte für einen Moment ins Leere, bevor er mit dünner Stimme sagte »Dann weiß ich auch nicht, wie es weitergehen soll.«.
»Aufgeben werden wir natürlich nicht.« Suko machte dem Mann wieder Hoffnung. »Sie haben, wenn ich mich richtig erinnere, die Person in der Station um Piccadilly gesehen.«
»Ja, das zweite Mal.«
»Die Station ist ja nun sehr groß. Könnten Sie sich vorstellen, daß die Frau dort noch einmal erscheint? Oder sich da irgendwo versteckt hält? Ist das im Bereich des Möglichen?«
»Keine Ahnung, Sir. Aber auszuschließen ist es wohl nicht. Worauf wollen Sie denn hinaus?«
»Wie wäre es, wenn wir dort zu dritt Streife gehen. Wir werden uns den Tag und vielleicht auch die Nacht in der Station einmal genauer ansehen. Ist das in Ihrem Sinne?«
Zum erstenmal nach seinem Eintreten erlebten wir, daß Gordon Polvera auch lächeln konnte. »In meinem Sinne?« fragte er. »Himmel, das ist mehr, als ich zu hoffen gewagt habe.«
»Schließlich wollen wir Sie nicht im Regen stehen lassen, Mr. Polvera.«
Suko schaute mich an. »Gib du auch mal einen Kommentar.«
»Klar. Ich wäre bei diesem Wetter zwar lieber draußen, aber die Sonne scheint ja auch noch an anderen Tagen.«
»Danke, Sir.«
Ich winkte ab. »Bedanken Sie sich nicht, Gordon. Eine Frage hätte ich noch.«
»Ja bitte.«
»Sie haben vorhin von dieser Wahrsagerin gesprochen. Die hat ja den Kern des Übels mit ihrer Aussage getroffen. Glauben Sie, daß es zwischen ihr und dieser Toten, die nun nicht tot ist, einen Zusammenhang gibt? Daß sie eventuell mehr weiß, als sie zugeben wollte?«
Polvera überlegte. Er preßte seine Handflächen gegen die Wangen, schüttelte den Kopf und meinte: »Darauf bin ich ja noch gar nicht gekommen, verdammt. Ehrlich, daran habe ich nicht gedacht.«
»Macht ja nichts. Aber Sie würden uns diese Frau sicherlich zeigen können.«
»Wenn sie da noch sitzt, bestimmt.«
»Das ist gut.«
»Hegen Sie denn gegen diese Person einen Verdacht?«
Ich stand auf und hob die Schultern. »Das kann man nie so genau sagen. In einem Fall ist zunächst jeder verdächtig. Aber mit dieser Person zu reden, wäre schon interessant. Unter Umständen weiß sie mehr und kann uns auch etwas über die
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