0886 - Der U-Bahn-Schreck
koch du wenigstens Kaffee.«
»Das hatte ich auch vor.« Ich stand auf, warf einen Blick aus dem Fenster und mußte blinzeln, weil die Sonne so stark blendete. Irgendwie störte mich das Wetter. Es machte mich nervös, denn der Sonnenschein paßte einfach nicht in den November.
Ich kochte den Kaffee. Mit der Funktion der Maschine war ich vertraut.
Ob ich den Kaffee aber so schmackhaft hinbekam, wie Glenda Perkins es tagtäglich schaffte, das wollte ich noch dahingestellt sein lassen.
Sicherlich nicht, und Suko, der eigentlich immer Tee trank, hatte extra nicht auf den Kaffee verzichtet, bestimmt nur deshalb, weil er seinen vernichtenden Kommentar loswerden wollte.
Und so war es dann auch. Ich hatte die beiden Tassen kaum auf dem Schreibtisch abgestellt, da konnte es Suko kaum erwarten, den ersten Schluck zu trinken.
»Verbrenn dir nur nicht den Mund«, warnte ich ihn.
»Keine Sorge, ich doch nicht.« Er war vorsichtig, schlürfte und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, John, aber ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich Glenda Perkins loben, denn dein Kaffee hält überhaupt keinen Vergleich zu dem ihrigen aus. Ich finde, das mußte einmal gesagt werden.«
»Wie nett.«
»Danke.«
»Und was ist mit der Akte? Hast du sie denn wenigstens in der Zwischenzeit gelesen?«
»Klar.«
»Was steht drin?«
Diesmal bekam ich die Akte rübergeschoben. »Bitte, du kannst doch selbst lesen.«
Ich verzog den Mund. »Und so etwas nennt sich Freund. Ich werde meinen Eltern von deinem Benehmen berichten, dann werden sie die Einladung kippen.«
Suko tat unschuldig. »Für wen? Für dich oder für mich?«
»Soll ich dir darauf eine Antwort geben?«
»Brauchst du nicht, es wird…«
Ich hatte Glück, denn eine junge Kollegin betrat unser Büro nach einem kurzen Klopfen. Neben ihr stand der Mann, um den sich der Bericht in der Akte drehte: Gordon Polvera.
Er war kleiner als wir, dunkelhaarig, auch älter, und seine Haut zeigte eine etwas graue Farbe. Er konnte die Augen nie ruhig halten und schaute wie jemand, der sich verfolgt fühlte, aber keinen Verfolger entdecken konnte.
Wir stellten uns vor, waren freundlich zu ihm, und ich bot ihm Kaffee an.
»Ja, den nehme ich gern, danke.«
Ich holte ihm eine Tasse. Gordon Polvera hatte sich mittlerweile gesetzt, den Blick hielt er zu Boden gerichtet, er fühlte sich unwohl, probierte den Kaffee und bat uns schon vorab, ihn nicht auszulachen.
»Wie kämen wir dazu?« fragte ich.
Er hob die Schultern. »Nun ja, andere haben mir nicht geglaubt. Jedenfalls nicht alle.«
Suko deutete auf die Akte. »Dann stimmt es also, was ich hier gelesen habe?«
Polvera lächelte dünn. »Ich weiß nicht, was dort steht, aber wenn es um meine Aussagen geht, ist das wohl richtig.«
Da ich die Akte noch nicht gelesen hatte, fragte ich ihn: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn Sie uns die Geschichte noch einmal aus Ihrer Sicht erzählen?«
»Wenn es uns hilft, gern.«
»Bestimmt.«
Er trank noch einmal, und anschließend hörten wir zu. Ich gespannter als Suko, denn was ich da zu hören bekam, war für mich absolutes Neuland, und die Worte hinterließen auch bei mir einen leichten Schauer, denn sich plötzlich einer zusammengenähten oder zusammengeflickten Person gegenüber zu sehen, deren Tod man selbst miterlebt hatte, das konnte schon schocken.
»Viele haben mich für übergeschnappt gehalten«, sagte er, »aber ich weiß genau, was ich gesehen habe und was mir widerfahren ist.«
»Die Frau hat aber nicht zu Ihnen gesprochen?«
Polvera schaute Suko an und schüttelte den Kopf. »Sie zog nur ein Stück Haut ab.«
»Sonst tat sich nichts?«
»Das weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls vor diesem U-Bahn-Schreck geflohen, und ich habe auch inzwischen Zeit genug gehabt, um nachdenken zu können.« Auf seiner Stirn bildete sich eine Falte. »Ich denke nicht, daß ich mich als eine Ausnahme ansehen darf. Diese Person wird auch weiteren Menschen erscheinen. Die Wahrsagerin sprach von Dingen, die tot sein müssen, es aber nicht sind. Sie berichtete über Zwischenstationen, und ich weiß nicht, ob sich die unbekannte und namenlose Frau in einer derartigen Zwischenstation befindet. Ich befürchte nur, daß sie auch anderen Personen erscheinen wird, und dann kann es böse werden.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Suko.
»Auch darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Wenn sie Gut und Böse nicht unterscheiden kann, wird sie möglicherweise Menschen angreifen und sie töten.«
Da gaben wir
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