0888 - Bis die Würmer dich zerfressen
hätte man Wasser darüber gekippt. Ein einzelner Wurm kroch darüber hinweg und bewegte sich in Richtung linkes Ohr.
Harry nahm es zur Kenntnis. Er wußte jetzt, daß die verfluchten Würmer dazugehörten, und er ließ sich auch von ihnen nicht stören. Andere Dinge waren wichtiger. So war er einzig und allein auf die Frau fixiert, denn sie wußte einen Weg, über den er möglicherweise auch an John Sinclair herankam, der sich an einem anderen Ort aufhielt. Im Nebenraum gab es dieses Zeitloch oder Tor, und Christiane würde mehr darüber wissen.
Er stieß sie mit der Mündung der MPi an. Da drückte sich das Fleisch an ihrer Schulter zusammen. »Ich will, daß du aufstehst«, sagte er mit leiser Stimme.
»Und…?«
»Wir gehen nach nebenan.«
Sie schielte zu ihm hoch. Der Wurm war inzwischen in ihrem Ohr verschwunden, ohne daß sie darauf reagiert hätte. »Was willst du denn dort, du Schnüffler?«
»Amero sehen.«
Das Lachen hörte sich an wie eine Mischung aus Kichern und Gackern.
»Du willst Amero sehen? Du willst mit ihm in Kontakt treten? Ausgerechnet du?«
»Ja, das will ich.«
»Es geht aber nicht, verdammt! Du kannst es nicht tun. Amero ist etwas ungeheuer Großes und Wunderbares. Es wird dich nicht akzeptieren.«
»Das solltest du mir überlassen.«
Die dicke Frau stemmte sich hoch. Es dauerte seine Zeit, bis sie stand und Harry fragte: »Was war denn los mit ihm? Warum hast du plötzlich so geschrien? Du hast sogar vergessen, mich zu töten. He, rede schon, was ist geschehen?«
Sie stand. Ein fettes Denkmal, und sie kam Harry ebenfalls vor wie ein mächtiger Wurm. »Er war in Gefahr. Jemand ist zu ihm gekommen und hat ihn bedroht.«
»Wer war es? Kennst du ihn?«
»Nein, aber ich spürte es. Amero hat Angst bekommen. Sein Gefühl teilte sich mir mit. Es strahlte auf mich über. Seine Schmerzen waren auch die meinen.« Sie senkte ihre Stimme. »Wie Brandpfeile schössen sie durch meinen Körper, wie Brandpfeile.«
»Sonst noch etwas?«
»Reicht das nicht?«
»Der Mann besaß eine Waffe, nicht wahr?«
Christina gefiel das Lächeln auf dem Gesicht ihres Gegenübers nicht.
»Ja, er… er … hatte eine Waffe. Eine ungewöhnliche und gefährliche.«
»Ein Kreuz?«
Sie riß das Maul auf und keuchte. »Ein Kreuz. Ich hasse das Kreuz! Er haßt es auch! Er will es nicht mehr sehen. Er hatte damals das Kreuz als Schutz gehabt, als er noch als Inquisitor durch das Land ritt, aber heute nicht mehr. Er war ein Templer, er war mächtig, er hat später den anderen Weg gefunden, aber er hat das Kreuz gehaßt, verflucht!«
»Dann war es John Sinclair.«
»Wer?«
»Schon gut.« Harry trat zur Seite, um der dicken Frau den Weg zur Tür freizugeben. »Du wirst jetzt hindurchgehen, nicht mehr und nicht weniger. Und ich werde dich begleiten. Ich möchte mehr über euch erfahren, und ich weiß, daß ich es nur dort drüben schaffe. Schon einmal habe ich es erlebt.«
Sie wischte über ihr Haar. »Was hast du erlebt?«
»Den Blick nach Spanien. Gegen das Pendel, in die Höhe, aber das kennst du sicherlich selbst.«
Sie senkte den Blick. Ihre Wangen zuckten, die Kiefer bewegten sich ebenfalls, und sie hatte die dünnen, farblosen Augenbrauen aufeinander zugeschoben. »Geh endlich!«
»Keine Sorge, du wirst deinen Spaß bekommen.« Sie blieb noch stehen und lächelte breit. »Aber hüte dich davor, zu optimistisch zu sein. Amero ist trotz allem stark. Er hat seinen eigenen Tod überlebt. Er ist auf andere Art und Weise wieder zurückgekehrt. Sein Leben vergeht nicht. Es nimmt nur eine andere Form an, und in dieser Form ist er noch gefährlicher als früher.«
Harry blieb gelassen. »Kannst du dir nicht vorstellen, daß ich mir dies gern anschauen möchte?«
»So hat jeder seinen Spaß, nicht?«
»Bestimmt.«
Ohne einen weiteren Kommentar schritt sie auf die Tür zu. Es war eigentlich kein Gehen mehr, sondern glich einem Schaukeln, und bei jedem Schritt geriet der gesamte Körper in Bewegung. Diese Frau brachte sicherlich an die drei Zentner auf die Waage, sie war tatsächlich ein wandelnder Fleischberg.
Auf dem Boden des zweiten Raums kämpfte sie wegen der Unebenheiten mit dem Gleichgewicht, erfolgreich. Jetzt machte sie auf Harry den Eindruck eines vollgefressenen Vogels, aber der Agent unterschätzte sie keineswegs.
Er hielt einen genügenden Abstand und war bereit, die Maschinenpistole hochzureißen und sich notfalls zu wehren. Im Moment sah es nicht so aus. Christiane folgte den Anweisungen,
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