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0891 - Knochenklaue

0891 - Knochenklaue

Titel: 0891 - Knochenklaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Dicht vor mir blieb er stehen. Er war ungefähr so groß wie ich. Wir konnten uns in die Gesichter schauen. »Und Sie versprechen mir, daß Sie meine Tochter wieder hier in das Haus zurückbringen?«
    »Ich verspreche es. Aber nicht mit einer hundertprozentigen Sicherheit, denn die gibt es nicht im Leben. Aber ich werde tun, was in meinen Kräften steht, Mr. Cordy.«
    Er schnaufte und senkte den Kopf. Dann umarmte er seine Tochter und flüsterte mit bebender Stimme: »Ich werde für dich beten, Kind…«
    »Ja, Dad, tu das…«
    ***
    Es war still. Die eisige Luft lag wie eine Plane über der kleinen Stadt. Man spricht oft von einer klirrenden Kälte, und dieser Vergleich kam mir in den Sinn, als wir zu dritt den Rover nahe der Friedhofsmauer verließen und ich die Tür ins Schloß drückte. Ich streifte die Handschuhe über und drehte mich um. Die beiden unterschiedlich alten Frauen standen dicht beisammen. Sie trugen keine Mützen und hatten die Kragen ihrer Mäntel hochgestellt. Anns Gesicht sah so schmal aus wie das einer bleichen Puppe, die angefroren war.
    Ich lächelte ihnen zu, was ihre ernsten Mienen auch nicht lockerte. »Ich weiß«, sagte ich zu ihnen, »auch ich wäre gern einen anderen Weg gegangen, aber es ist nicht möglich. Nach allem, was ich erfahren habe, ist es der einzig richtige.«
    »Haben Sie tatsächlich alles erfahren, John?« fragte Donata.
    »Etwas Wichtiges fehlt noch. Doch ich hoffe, daß wir es schaffen. Kommen Sie jetzt.«
    Es fiel den beiden nicht leicht, den Friedhof zu betreten, und auch ich hätte mich in einem warmen Zimmer wohler gefühlt, aber es ging einfach kein Weg daran vorbei. Ich war mal wieder über einen Fall gestolpert, obwohl ich damit nicht gerechnet hatte. Mich hielt das Schicksal an der langen Leine. Es führte mich immer genau dorthin, wo ich auch gebraucht wurde. Das war wohl der Sinn und zugleich auch der Fluch meines Lebens. Man konnte es auch anders sehen. Es war besser, wenn es mich erwischte, als irgendeinen Unbeteiligten, der diesen alptraumhaften Dingen auf keinen Fall gewachsen war. Wir durchschritten das Tor und hatten somit die Welt der Toten, denen die Lebenden durch Steine, Gräber und Kreuze Andenken errichtet hatten, betreten.
    Es gab kein Licht auf diesem großen Gräberfeld. Nicht mal der Mond schien.
    Und es war kalt!
    Zum Glück wehte nur ein leichter Wind. Wäre es stärker gewesen, hätte er unsere Gesichter einfrieren lassen. Der Atem dampfte vor unseren Mündern, und ich hatte die beiden Frauen vor mir hergehen lassen.
    Auf der Fahrt hatte mir Donata erklärt, daß das Grab ihres Mannes und das ihrer Tochter zusammenlagen. Beide waren in einer Familiengruft beerdigt worden und hätten von dort eigentlich nicht mehr zurückkehren sollen, doch sie hatten es getan, sie waren als Skelette erschienen, was mir wiederum nicht in den Kopf wollte. Besonders nicht als Teile eines Skeletts. Ich hatte schon gegen lebende Skelette gekämpft, gegen vollständige Körper, aber nicht gegen irgendwelche mörderischen Knochenklauen.
    Wir nahmen den Hauptweg, der mit kleinen Kieselsteinen bestreut war. Das Eis hatte sie glatt gemacht. Die Steine bewegten sich leise schabend unter unseren Schuhen.
    Rechts und links des Wegs lagen nicht nur die Gräber. Dort wuchsen auch Hecken, die hier und da von den Kronen blattloser Bäume überdeckt waren.
    Die Kälte hatte die Welt erstarren lassen. Auch die Tiere der Nacht hörten wir nicht. Nur unsere Trittgeräusche durchbrachen die Stille.
    Ann hatte sich bei Donata eingehängt, sie wirkten dabei wie Mutter und Tochter. Manchmal drehte sich Donata um und schaute mich an. Ihr Gesicht hatte in der Dunkelheit einen leichten Blauschimmer bekommen, und die Augen glänzten wie Metall.
    Ich nickte ihr beruhigend zu, aber kein Lächeln kam zurück. Natürlich hielt ich die Augen auf. In der Dunkelheit war nicht viel zu sehen, erst keine blanken, in der Luft schwebenden Knochen.
    Eine andere, eine fremde Welt. Eine Welt, die in einen Kälteschlaf gefallen war und erst erwachen würde, wenn es taute.
    Ich lauschte auf meine innere Stimme.
    Sie sagte nichts.
    Stille.
    Ich ging weiter.
    Die beiden Frauen sprachen flüsternd miteinander. Ich hörte, wie Donata Ann die Lage der Gruft erklärte und entnahm den Worten, daß es nicht weit war.
    Wir mußten vom Hauptweg ab. Nach links. Hinein in ein anderes Gebiet, in dem Hecken immer wieder kleine Welten für sich bildeten. Es gab Durchgänge, damit der Besucher auch an die Gräber

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