0891 - Knochenklaue
sich hochsteigen.
Ja, er hatte sie verraten, sie alle verraten. Er hätte die Kunst geheimhalten sollen, aber er hatte es nicht getan. Er hatte sich jemand anvertraut, er hatte sie eingeweiht, auch wenn es seine Tochter gewesen war, er hätte es nicht tun dürfen. Er hatte ihr sogar die Schriften zu lesen gegeben, was ebenfalls furchtbar war, und er hatte dafür auch bezahlt, ebenso wie seine Tochter, aber die Bücher gab es noch, sie waren vorhanden, auch wenn der Tod der beiden schon beinahe drei Jahre zurücklag, die Bücher durften nicht in fremde Hände fallen.
Zum Glück war es Don Farell noch rechtzeitig eingefallen. Er würde es ändern. Als er daran dachte, lächelte er. Farell spann seinen Gedanken noch weiter. Er wußte genau, daß diese kleine Stadt sehr bald aus ihrer schläfrigen Ruhe erwachen würde, wenn er seine Aufgabe hinter sich gebracht hatte.
Farell hob seinen rechten Arm. Unter der Decke befand sich, neben dem Innenspiegel, eine kleine Leselampe. Er schaltete sie ein. Der Strahl fiel direkt auf seinen Schoß. Farell griff in die rechte Seitentasche seiner schwarzen Wolljacke und holte einen kleinen Plan hervor. Ihm war alles aufgezeichnet worden, und er fand sehr schnell die Stelle auf dem Plan, wo er jetzt parkte.
Farell nickte zufrieden. Im Licht der Lampe hatte sein blasses Gesicht einen bläulichen Touch angenommen. Überhaupt war an ihm vieles blaß und sehnig. Kein Gramm Fett zuviel belastete seinen durchtrainierten Körper. Das Gesicht war schmal. Die Wangen, auf denen sich Bartschatten abzeichneten, wirkten wie durch schwarze Asche gepudert. Die dunklen Haare hatte Farell straff nach hinten gekämmt. Da sie sehr lang waren, hatte er sie im Nacken zu einem kleinen Zopf zusammengebunden.
So machte er alles in allem den Eindruck eines Indianers, der sich auf den Kriegspfad begab. Es fehlte nur noch die Bemalung in seinem Gesicht, dann wäre er perfekt gewesen.
Farells Finger fuhr über den gezeichneten Plan und stoppte dort, wo der Zeichner das rote Kreuz aufgemalt hatte.
Das war sein Ziel.
Wieder lächelte er, als er den Weg verglich. Jedes Schulkind hätte ihn finden können. Er brauchte kein zweites Mal nachzuschauen, den Weg hatte er sich eingeprägt.
Noch einmal kroch er nach draußen. Es roch verbrannt, und es würde bald noch verbrannter riechen, denn Farell war es gewohnt, Nägel mit Köpfen zu machen. Ihm nahm niemand die Butter vom Brot.
Er schloß das Fenster wieder und startete.
Der Motor summte. Er war nicht laut, darauf hatte der Mann beim Kauf des Wagens wert gelegt.
Und wie ein schwarzes Raubtier schlich der Wagen mit seinen getönten Scheiben durch die kleine Stadt. In seinen schmalen, wachsamen, dunklen Augen zeichnete sich Zufriedenheit ab, als er in die Straße einbog, in der das Ziel lag. Und diese Zufriedenheit verstärkte sich, denn er hatte erkannt, daß die Straße menschenleer war. Die wenigen, an den Rändern geparkten Fahrzeuge waren von einer grauen Schicht aus Eis und Schneegriesel bedeckt. In ihnen würde wohl kaum ein Mensch sitzen und die Straße beobachten.
Don Farell parkte nicht weit von seinem Ziel entfernt. Er würde es mit wenigen Schritten erreichen können, was auch wichtig war. Bevor er ausstieg, kontrollierte er seine Waffen und nahm den Koffer an sich, der auf dem Beifahrersitz seinen Platz gefunden hatte. Mit ihm in der Hand stieg er aus.
Der Koffer war schwarzgrau, und er hob sich kaum von der Dunkelheit und der Kleidung des Mannes ab.
Farell war vorsichtig, denn er sah auch die Kälte und das damit verbundene Glatteis als Feind an. Es störte ihn nicht, und so erreichte er unangefochten eine der beiden Haustüren.
Er entschied sich nicht für die, die in das kleine Geschäft führte, hinter dessen Schaufenstern es dunkel war. Er kümmerte sich um die zweite Tür. Sie lag in einer Nische, wo sie die Rückwand bildete.
Farell schaute sich das Schloß an.
Er lächelte geringschätzig. Mit seinem Besteck würde er es innerhalb von Sekunden geknackt haben.
So war es auch.
Er drückte die Tür auf, betrat das Dunkel des Flurs, schloß die Tür wieder und atmete auf.
Geschafft!
Der Rest würde ein Kinderspiel sein, hoffte er. Und sollte sich ihm Widerstand in den Weg stellen, würde er ihn zur Seite räumen, denn Menschenleben spielten bei ihm und seiner Gruppe keine Rolle.
Mit dieser Gewißheit machte er sich an die Durchsuchung des Hauses…
ENDE des ersten Teils
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