0892 - Jagd durch die Zeit
älterer, heruntergekommener Mann öffnete, während Ingo, ein weißer Spitz, neugierig an den Neuankömmlingen schnüffelte. Erwartungsvoll schaute er den Fremden entgegen.
»Guten Abend, Herr Benz«, übernahm Nicole die Begrüßung, während sie den Hund, der das Kläffen Gott sei Dank eingestellt hatte, streichelte. »Entschuldigen Sie, dass wir so spät noch stören. Ich bin Nicole Duval und das ist Professor Zamorra. Wir kommen wegen des Verschwindens Ihrer Tochter. Dürfen wir kurz reinkommen?«
Benz' Schweinsäuglein wurden groß. »Julia? Sie wissen was von Julia? Ja, bitte, kommen Sie doch rein.« Er gab die Tür frei und führte Zamorra und Nicole in ein bescheiden eingerichtetes, muffiges Wohnzimmer, in dem allerlei schmutzige Wäschestücke herumlagen. Der Fernseher lief. Nicole verdrehte die Augen. »Mir wird schlecht«, flüsterte sie.
»Wie bitte?«
»Oh, nichts, Herr Benz. Ich sagte nur gerade, nicht schlecht, Ihr Haus.«
Benz grinste breit. Ein wirrer weißgrauer Haarkranz umgab den Schädel mit der fliehenden Stirn. »Nicht wahr? Ich mag's auch.« Er kratzte sich ungeniert an seinem mächtigen Bierbauch, über dem die fleckige Jogging-Hose spannte. »Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten? Eine Limonade? Oder einen Schnaps? Selbst gebrannt. Vom Bauern Krall.«
»Äh, nein danke, geht auch so«, antwortete Nicole schnell.
Benz' Grinsen verschwand. Stattdessen liefen ihm plötzlich einige Tränen aus den Augen. »Wissen Sie, ich hab gelogen. Seit Julia nicht mehr bei mir ist, mag ich das Haus nicht mehr. Sie hat den Gästen immer was gebracht. Sie war so eine Liebe. Was ist mit meiner Julia? Wissen Sie was von ihr? Setzen Sie sich doch.«
Die beiden Franzosen überwanden ihre Abscheu und platzierten sich auf dem Sofa. Zamorra schob dabei dezent eine lange Unterhose zur Seite.
»Leider wissen wir noch nichts Neues, Herr Benz.« Zamorra hielt sich bedeckt. Noch wollte er dem Mann nichts von der DVD erzählen. »Wir sind hier, weil wir hoffen, dass Sie uns weitere Informationen über Ihre Tochter geben können.«
Benz sackte auf seinem Stuhl zusammen. »Und ich dachte schon…«, flüsterte er. Abrupt hob er den Kopf. »Warum machen Sie mir dann Hoffnung, wenn Sie nichts wissen? Und wer sind Sie überhaupt? Von der australischen Polizei? Und warum sucht ihr jetzt plötzlich wieder nach ihr? Ihr habt doch schon vor fünf Jahren gesagt, dass ihr die Suche einstellt.«
Zamorra und Nicole starrten sich an.
»Entschuldigen Sie, Herr Benz«, erwiderte Nicole. »Wir arbeiten privat und wollten Sie ganz bestimmt nicht aufregen. Ich befürchte, dass das Ganze ein Missverständnis ist. Wann ist denn Ihre Tochter verschwunden?«
Benz starrte sie an. »Sind Sie Privatdetektive?«
»So was in der Art, ja.«
Er kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Wer hat Sie dann beauftragt?«
»Ich sagte bereits, dass es sich um ein Missverständnis handeln muss. Bitte sagen Sie uns, wann Ihre Tochter verschwunden ist.«
»Das ist jetzt knapp sechs Jahre her«, flüsterte August Benz. »Julia war auf einer Reise durch Australien und Neuseeland. Für ein halbes Jahr, wissen Sie. Und dann ist sie plötzlich verschwunden. Die letzte Nachricht, die ich von ihr bekommen habe, war aus Sydney. Dann hat die Polizei über ein Jahr nach ihr gesucht, aber sie ist nie wieder aufgetaucht. Bis heute nicht. Und jetzt dachte ich, Sie hätten…«
»Es tut uns sehr leid, Herr Benz. Wir ermitteln im Fall einer unbekannten Toten und wir bekamen den Tipp, dass es sich um Ihre Tochter handeln könnte…«
»Wer hat das gesagt?«
»Das darf ich Ihnen leider nicht sagen. Eine Bitte hätte ich aber doch, Herr Benz. Wäre es möglich, dass Sie mir ein Foto von Julia zeigen?«
»Ja, natürlich.« August Benz stand auf und kramte in einer Schublade. Er zog ein schon etwas vergilbtes Farbfoto hervor und streckte es Nicole hin. »Das ist sie.« Das Bild zeigte eine leidlich hübsche junge Frau mit kurzen blonden Haaren, vollen Wangen und strahlend blauen Augen.
»Nein, das ist nicht unsere unbekannte Tote«, murmelte Nicole. »Es handelt sich um eine völlig andere Person. Sagen Sie, kennen Sie eine Frau Ida Mossmann-Berger?«
»Wer soll das sein?«
»Eine Freundin Ihrer Tochter.«
»Nein, der Name sagt mir nichts.«
»Sie lesen keine Tageszeitung?«
Benz schüttelte den Kopf. »Da steht sowieso nur Mist drin. Außerdem bin ich momentan etwas knapp mit den Finanzen, wissen Sie. Ich muss sparen und die Zeitung ist teuer. Mir
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