0892 - Jagd durch die Zeit
mit ihrer hohen Intelligenz leidlich perfekt beherrschten.
Ferdinand blieb stehen. Er legte die Rechte mit dem roten Handschuh auf seinen Zierdegen. »Haserl, es ist wieder einmal Zeit für einen Wechsel. Ich muss allmählich abdanken. Denn ich bin nicht mehr gut gelitten beim Volk und meinen Verbündeten. Das Bündnis, das ich mit den Polen gegen die Schweden abgeschlossen habe, kam nur unter großen Mühen zustande. Der polnische König Johann Kasimir Wasa, dieser Lump, hat mir meine Liebschaft mit der Gräfin Anna von Waldstein vorgeworfen, denn diese sei eine Hex.«
»Ist sie ja auch. Was musst mich auch dauernd betrügen, Ferdl.« Eleonora lächelte über ihr breites, jetzt von der Kälte puterrot gefärbtes Gesicht. Auf ihrem Hütchen hatte sich ein kleiner Schneeturm gebildet.
»Das ist nun mal die Natur der Menschenmänner und insbesondere ihrer Herrscher. Also bin ich gezwungen, dies zu tun. Aber das weißt du ganz genau, Haserl.« Ferdinand ging weiter. Der Obersthofmeister, ein geschniegelter Laffe, kam ihnen entgegen und grüßte ehrerbietig. Huldvoll winkte der Kaiser zurück. Eleonora tat nichts desgleichen, denn sie hasste Matthias von Thurn-Valsassina, der außer unverhohlener Geilheit nicht viel zu bieten hatte.
»Also, wo war ich? Ach ja. Die Anna von Waldstein könnt ich ja noch loswerden. Aber unseren gemeinsamen Spross, die Theresia Maria [6] , kann und will ich nicht loswerden, denn ich liebe sie über alles, auch wenn sie die Anlagen ihrer Mutter hat und ebenfalls der Hexerei zugetan ist. Also werd' ich den Ferdinand zu seinem katholischen Gott schicken und seinen Nachfolger inthronisieren, um die Reizfigur Ferdinand den Dritten aus dem Spiel zu nehmen. Bist damit einverstanden?«
Die Ewigen redeten sich schon lange nicht mehr in ihrer eigenen Sprache und mit eigenen Namen an, sie gingen voll und ganz in ihren wechselnden Rollen auf.
»Ja, Ferdl, ich bin durchaus einverstanden. Es muss aber überlegt sein.«
»Natürlich. Komm, lass uns bei einer Tasse Tee weiterreden.«
Das Kaiserpaar ging in einen der zahlreichen Salons im Leopoldinischen Trakt. Sie setzten sich an einen mit Holzintarsien verzierten Tisch mit s-förmigen, Gold überzogenen Beinen und ließen sich dampfenden Tee in feinen, chinesischen Porzellantassen servieren.
Sinnend tastete Eleonora nach dem zweiten blau funkelnden Dhyarra, den sie zu ihrem normalen an einer Kette verborgen im Ausschnitt trug. In ihn war die Mentalsubstanz des Ranen Race eingegangen. Sie hatten dem Svantevit -Priester seinerzeit in der Station in den Alpen einen Dhyarra in den geöffneten Hinterkopf gepflanzt, sein gesamtes Bewusstsein darin gespeichert und danach eine Kopie dieses Sternensteins gemacht, den Capdevila besaß. Da Races Bewusstsein sofort auf Svantevits Anwesenheit reagiert hatte, hatten sie nun jeder einen Mentalspür er zur Verfügung, der sofort reagieren würde, wenn die Flammenfratze in der Nähe war.
»Eigentlich müssten wir uns ja wieder verstärkt unserem Auftrag widmen, die Flammenfratze Svantevits zu finden und die Forschungen endlich zu einem Abschluss zu bringen«, sagte sie dann. »Aber wir können es nicht erzwingen und wenn der ERHABENE noch so drängt. Deswegen kümmern wir uns erst einmal um die für uns dringlichen Probleme. Du willst also unseren Sohn Leopold ersetzen?«
Ferdinand nickte. »Was bleibt mir anderes übrig, nachdem sein älterer Bruder Ferdinand, dieser Trottel, schon so früh den Löffel abgegeben hat?«
»Glaubst du, dass Leopold eine gute Wahl ist?«
»Was bleibt mir anderes übrig, Haserl? Ferdinand war stark. Er wäre auch von den Kurfürsten problemlos als neuer Kaiser akzeptiert worden. Leopold hingegen ist ein Schöngeist und will von der Politik so viel wissen wie eine Kuh vom Fliegen. Ich bin sicher, dass sich der französische König Ludwig ebenfalls zur Wahl stellen wird. Da werde ich einige Mühe haben, die Kurfürsten von Leopold als neuem Kaiser zu überzeugen. Aber ich bin dennoch zuversichtlich.«
Kaiserin Eleonora nickte. »Ja. Den Franzosen Ludwig kannst du nicht mehr studieren, dazu ist die Zeit zu kurz. Du kämst auch nur schwer an den französischen Hof und in seine Nähe. Also bleibt dir nur Leopold, dessen Manieren und Vorlieben du wie dein Hosentascherl kennst. Leopold mag mich nicht und ich ihn nicht. Manchmal glaub ich, dass er mit seinen feinen Sinnen etwas von meiner wahren Natur erahnt. Aber ich werd Leopolds Wahl den Kurfürsten trotzdem mit meiner ganzen
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