0894 - Seelenbrand
stoppte.
Der Schmerz war so real, als hätte ihm jemand in seiner normalen Alltagswelt einen Knüppel übergebraten. Er verlor das Bewusstein und zweifelte, je wieder daraus zu erwachen.
Diesmal war er zu weit gegangen, hatte er zuviel riskiert.
Nicole! , war sein letzter Gedanke.
Dann sickerten die Grautöne der Ohnmacht in seinen Geist - oder vielleicht war es auch schon die Farbe des Todes.
4.
Vergangenheit
Als die Sonne sie weckte, weil sie warm und fordernd auf ihre Haut schien, fühlte sie sich wie gerädert. Irgendwo in ihrem Kopf rumorte ein Schmerz, der immer wieder bis in ihre Arme und Beine ausstrahlte. Am meisten aber tat ihr das Herz weh. Es war, als habe sich eine metallene Faust darum geschlossen und ließe ihm kaum genügend Platz zum Schlagen.
Meredith verwünschte die Enge in ihrer Brust. Sie versuchte tief durchzuatmen.
Von draußen drang Lärm in den Raum.
Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und blickte zum offenen Fenster. Dabei sah sie gerade noch ein grobschlächtiges Gesicht verschwinden, das offenbar zu ihr hereingeblickt hatte.
Die Vorstellung, im Schlaf beobachtet worden zu sein, ging ihr durch Mark und Bein. Sie setzte zu einem Schrei an, überlegte es sich dann aber anders und näherte sich stattdessen dem Vorhang, vor dem sich eine dünne, durchscheinende Gardine wölbte. Auch an dem gazeartigen Stoff mochte es gelegen haben, dass sie das Gesicht nicht klar gesehen hatte, sondern wie verschwommen. Aber es war ihr riesig erschienen, derb, und narbenübersät, wenn sie sich nicht täuschte.
Jetzt war es jedenfalls verschwunden.
Meredith tauchte vorsichtig unter den Vorhang und schob sich vor das offene Fenster, das ihr einen Blick nach draußen auf eine sonnendurchflutete Landschaft und ein paar Bauten gewährte, die im Schatten des Haupthauses standen. Ihres Zuhauses, in das sie nun endlich zurückgekehrt war - in den Schoß der Familie, die sosehr um sie getrauert hatte wie sie um die Familie.
Alles war gut.
(Gut? Sieh dich genau um! Bist du dir ganz sicher, dass du hier sein möchtest? Hier?)
Meredith zitterte leicht, als sie sich über die Fensterbrüstung nach draußen beugte und nachschaute, ob sie noch irgendwo eine Spur des Riesen entdecken konnte.
Unmittelbar unter dem Fenster lag auf einer kleinen Blumenterrasse, die dort angelegt war, eine tote Ratte.
Meredith wollte sich schon angewidert abwenden, als von links eine Gestalt um die Hausecke geschossen kam, zielstrebig auf den Rattenkadaver zuhielt und ihn sich mit einem speziell dafür präparierten Stock angeln wollte.
»Halt!«, rief Meredith.
Der Junge schien sie jetzt erst zu bemerken, hatte zuvor nur Augen für die Ratte gehabt. Er erstarrte, drehte dann langsam den Kopf und schaute zu Meredith hoch.
»Lady…«
Meredith versuchte, den toten Nager zu ignorieren und musterte stattdessen den sommersprossigen Jungen. »Wer bist du?«
»Peter. Der Sohn der Dienerin.«
Meredith hatte noch keine Dienerin zu Gesicht bekommen, seit sie wieder hier war.
»Wie lautet ihr Name?«, fragte sie.
»Helen.« Der Junge trat unsicher von einem Fuß auf den anderen.
»Ich kenne keine Helen.«
»Wir sind beide erst heute Morgen angekommen. Der Herr bot meiner Mum diese Stelle an. Sie sucht schon eine Weile und ist sehr froh, endlich wieder Arbeit zu professor haben… Bekommt sie jetzt Ärger? Werde ich bestraft? Ich wollte nichts Böses. Aber die Ratten… Ich finde sie überall, seit ich herumstrolche. Ich wollte mich nur mit der Umgebung und allem vertraut machen, nichts anstellen - glauben Sie mir das bitte!«
Seine Stimme bebte vor Furcht, und durch ihren bohrenden Kopfschmerz hindurch glaubte Meredith zu erkennen, dass er sich weniger um sich selbst sorgte als vielmehr um seine Mutter.
In diesem Moment erkannte sie, dass er ein guter Junge war, und sie schloss ihn auf Anhieb ins Herz.
»Was hast du mit…« Sie nickte, ohne hinzusehen, nach unten, zu einer Stelle irgendwo nahe Peters Füßen. »… ihnen vor?«
»Die toten Ratten?« Der Junge überwand seine Scheu ein wenig, auch das Zittern hörte auf, als sei er plötzlich in seinem ureigenen Element. »Ich sammel sie und stopf sie aus.«
… und stopf sie aus.
Meredith drehte es den Magen um. Ilja drängte zurück an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Der tote Ilja, wie sie ihn im Stall vorgefunden hatte.
Sie hatte es fast vergessen gehabt, aber nun…
Laut schreiend wandte sie sich vom Fenster ab, rannte zu ihrem Bett und warf sich
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