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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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hinein.
    Minutenlang konnte sie nichts anderes als schluchzen, das Gesicht ins Kissen vergraben.
    Sie hob erst wieder den Kopf, als sich eine Hand sacht auf ihren Kopf legte und ihr über das Haar streichelte.
    Aber statt ihrer erwarteten Tochter oder ihrem Gemahl, schaute sie in das gerötete, dickliche Gesicht einer ihr völlig fremden Frau. »Ich bin Helen«, sagte sie mit weicher Stimme. »Die neue Hausdienerin. Ich sah meinen Sohn davonrennen, er kam aus Richtung Ihres Zimmers, draußen vor dem Haus. Und ich wäre untröstlich, wenn er Sie zum Weinen gebracht hätte, Mylady - dieser dumme Junge. Er…«
    Meredith fasste sich und setzte sich auf die Bettkante; mechanisch versuchte sie, ihr hochgestecktes Haar zu ordnen. Die Kleider, die sie im Schrank gefunden hatte, die Wäsche, die sie in diesem Moment trug - all das passte nicht perfekt, war ihr teilweise ein wenig zu weit.
    Ich habe abgenommen, drüben im Moor. Die Maden haben mir geholfen, schlank zu werden.
    Sie fühlte eisiges Unbehagen ob dieses Gedankens.
    »Peter trägt keine Schuld«, versicherte sie rasch, stand auf und streckte Helen die rechte Hand entgegen. »Schön, Sie kennenzulernen. Mein Gemahl sagte mir nichts davon. Wahrscheinlich wollte er mich überraschen. Aber wo sind all die anderen Angestellten, die ich kenne?«
    Helen machte ein verunsichertes Gesicht. »Ich…«
    »Ja? Sprechen Sie frei. Haben Sie keine Scheu, ich reiße Ihnen schon nicht den Kopf ab!«
    »Es… es ist mir unangenehm.«
    »Reden Sie - bitte!«
    »Der Mann, der mir die Stelle vermittelte, sagte mir, dass ich momentan die… einzige Bedienstete sei - von einem etwas merkwürdigen, hünenhaften Schmied abgesehen, der offenbar geblieben ist, als alle anderen…«
    »Ja?«
    »… gegangen sind.«
    »Gegangen sind«, echote Meredith. Aber sie war klug und konnte sich eins und eins zusammenreimen. »Ich… werde mit Robert reden, er wird mir alles erklären«, sagte sie. »Danke, Helen, Sie können jetzt gehen und dort weitermachen, wo Sie mein ungebührlicher Schrei unterbrach.«
    Die dralle Frau machte einen Knicks - oder das, was sie dafür hielt - und hatte es plötzlich eilig, hinauszukommen. Im Gehen murmelte sie: »Diesem kleinen Flegel werde ich die Hammelbeine lang ziehen!«
    Meredith wollte ihr noch hinterher rufen, das bitte bleiben zu lassen. Peter sollte nicht für ihr Verhalten büßen müssen. Aber dann ließ sie es doch bleiben.
    Helen sah nicht aus, als würde sie ihren Sohn misshandeln. Vermutlich wollte sie nur demonstrieren, dass mit ihr in ihrer Eigenschaft als Mutter nicht gut Kirschen essen war, wenn man sie reizte.
    Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, legte sich Meredith rücklings aufs Bett und schloss die Augen, bis die schemenhafte Gestalt von Ilja Konturen annahm. Wieder sah sie sich durch Nacht und Nebel irren, auf den Stall zu, wo sie schließlich das ausgestopfte Pferd fand, das…
    Von plötzlichem Zorn erfasst, der womöglich durch die Nachwehen des nächtlichen Schocks genährt wurde, stand Meredith nun endgültig auf, wusch sich das Gesicht mit Wasser, das in einer Waschschüssel bereitstand, und schlüpfte dann in Kleider, die sie über einem Stuhl hängend fand. Wenig später wirbelte sie zuerst durch das Haus, in dem ihre Rufe nach Beth oder ihrem Gemahl hohl und unbeantwortet verhallten, und begab sich dann nach draußen auf den Hof, wo sie sich nur kurz orientierte und dann schnurstracks zur Schmiede stapfte.
    ***
    Ein lauer Wind zerzauste ihr Haar. Eine Spange löste sich, und eine Strähne fiel in Meredith' Gesicht. Sie wunderte sich, wie zart und geschmeidig das Haar nach all der Zeit im Moor war.
    (Darüber wunderst du dich? Wundere dich lieber, wie du wiederkehren konntest. Das ist das Mysterium, das dir zu denken geben sollte - und du denkst an dein Haar…)
    Das Anwesen war so gewaltig, wie sie es in Erinnerung hatte. Es war wunderschön geworden, und nur der Schatten dort am Boden war von der Mühle übrig geblieben, die sich hier noch vor Jahren erhoben hatte, der Mühle der Westminster-Abtei. Den Grund und Boden hatten sie für einen Spottpreis erworben, alles Alte abgerissen und dafür Neues errichten lassen.
    (Der Schatten der Mühle?)
    Meredith blieb abrupt stehen. Noch etwa zwanzig Schritte trennten sie von der Schmiede. Aber dort, vor ihr, wo deren Schatten zu sehen hätte sein sollen, zeichneten sich auf dem hellen Sand des Hofes tatsächlich ganz andere Konturen ab. Sie sahen aus, als würden immer noch die

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