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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Windflügel einer Mühle sie erzeugen so wie einst, vor dem Bau des Anwesens.
    Verrückt.
    Sie blinzelte, aber der »falsche« Schatten blieb.
    »Lady?«
    Hinter ihr schob sich ein anderer Schatten heran. Er gehörte Peter, dem sommersprossigen Sohn der Hausdienerin. Er schien ein Zutrauen zu entwickeln, das Meredith einerseits freute, andererseits aber auch auf schwer erklärliche Weise missfiel. Nicht, weil sie ihn nicht mochte, sondern eher, weil sie ihn nett fand.
    Ein Widerspruch?
    Nun, und wenn schon. Ihr ganzes Dasein schien ein solcher zu sein. Sie hätte tot sein müssen, oder? Sie hätte, wenn es nach dem gesunden Menschenverstand ginge, nicht hier sein können - und war es doch.
    Was ist nur passiert? Wieso… lebe ich? Aber… lebe ich denn wirklich?
    Sie glaubte es. Und wenn sie an sich herabblickte, sah sie genau das: Leben in der Blüte seiner Jahre!
    Aber das schien ihr, obwohl sie über sich selbst richtete, ebenso falsch wie der Schatten einer Mühle, die sich längst nicht mehr der Sonne entgegenreckte.
    Peter verbarg etwas hinter dem Rücken. Meredith ahnte sofort, was es war.
    »Was willst du?«, fragte sie.
    »Ein Geschenk«, sagte er. »Ich… ich wollte mich für vorhin entschuldigen mit einem… Geschenk.«
    Sie zuckte zurück, als er ruckartig die zuvor hinter den Rücken gehaltene Hand hervorbrachte - und schämte sich, dass sie hatte annehmen können, es wäre wieder eine Ratte.
    Es war ein Strauß herrlicher Wiesenblumen.
    »Ich hab sie selbst gepflückt!«
    »Nicht deine Mutter?«
    Er schüttelte heftig den Kopf. Sie glaubte ihm und nahm den Strauß entgegen.
    Er war wunderschön. Wann hatte sie zum letzten Mal Blumen geschenkt bekommen, von Robert? Es war so lange her, dass sie sich nicht mehr erinnerte. Und wenn sie an Blumen dachte, dann brachte sie sie nicht mit Robert in Zusammenhang - aber wieso nicht? Wer war der Mann, der flüchtiger als eine Sternschnuppe vor ihrem inneren Auge auftauchte, und der dafür sorgte, dass ihr Herz zu rasen begann?
    Sie schauderte. Sie erschrak vor sich selbst. Kehrten allmählich Erinnerungen zurück, die sie lieber für alle Zeit begraben gewusst hätte (begraben im Moor, wo ich immer noch liege und faule…)?
    Hatte sie… eine Affäre gehabt, und war jener Mann es, dessen Gesicht und andere Merkmale schon wieder verwischt waren?
    Sie betete, dass es eine andere Erklärung gab. Sie wollte keine Ehebrecherin sein. Sie wollte, dass… alles wieder gut wurde. Und irgendetwas in ihr versprach genau das. Eine Rückkehr zur Normalität. Ein neues Leben, als wäre sie wiedergeboren worden und erhielte nun die Chance, die kaum ein Mensch je bekam.
    »Danke, Peter. Sie sind sehr schön.« Sie hielt die Nase hinein. Der Duft war betörend, regelrecht berauschend. Sie senkte den Strauß. Ihr war schwindlig. Für einen Moment glaubte sie, sich nicht auf den Beinen halten zu können.
    Peter schaute besorgt. »Ist Ihnen nicht gut? Kann ich helfen?«
    Sie schüttelte den Kopf, und tatsächlich war der Schwächemoment bereits vergangen. »Geh, hilf deiner Mutter. Für sie muss alles neu sein im Haushalt. Vielleicht kannst du ihr zur Hand gehen, sie ist eine feine Frau. Sei stolz auf sie.«
    Er zögerte. »Ich wünschte, sie wäre stolz auf mich. Aber sie schimpft mich oft Tunichtgut.«
    »Das meint sie nicht so.«
    »Mein Vater hat uns oft geschlagen.«
    Meredith war peinlich berührt. »Wo ist er? Hat sie ihn verlassen?«
    »Er hat uns verlassen. Er war ein Säufer und brachte das bisschen Geld durch, das Mum verdiente.«
    Meredith hörte ernst zu. »Vielleicht hatte er selbst Kummer. Ich meine, weil er trank.«
    »Und schlug«, erinnerte sie Peter.
    »Und schlug«, sagte sie. »Vielleicht solltest du ihn ganz vergessen - und deiner Mum helfen, ihn auch zu vergessen.«
    »Sie sind nett, Lady, aber…«
    »Ja?«
    »Eins verstehe ich nicht.«
    »Was denn?«
    In diesem Augenblick flog drüben die Tür der Schmiede auf. Jemand hatte von drinnen daran gezerrt, und dieser Jemand erschien jetzt stampfend im Freien.
    Aus dem Augenwinkel sah Meredith noch, wie Peter Reißaus nahm, ohne ihr verraten zu haben, was er nicht verstand.
    Und sie konnte es ihm nicht verdenken. Der Koloss dort bei der Schmiede sah beängstigend aus. Mehr als erschreckend. Meredith kam es so vor, als hätte sich die Aggression der ganzen Welt etwas gesucht, in dem sie stofflich werden konnte - herausgekommen war eine Art Mensch, ein wahrer Titan, in dessen narbigen Zügen sie zweifelsfrei das

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