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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Gesicht wiedererkannte, das sie bei ihrem Erwachen am Fenster bemerkt hatte.
    Wortlos starrte er Meredith entgegen. Der Hammer in seiner Rechten war mehr als bloße Staffage, wenn ihn jemand zu benutzen wusste, dann dieser Unhold.
    Meredith spürte, dass sie dem Blick seiner Augen nicht standhalten konnte. Sie musste wegsehen, nach unten, dorthin, wo… der Schatten der Mühle verschwunden war, als hätte das Auftauchen des Mannes selbst ihn verjagt. Nun zeichneten sich dort die Umrisse des Schmiedebaus nach.
    Als sie mehr verstohlen zum Schmied zurückschielte, mit angestrengt verdrehten Augen, denn sie tat ja so, als würde sie auf ihre Füße blicken, hatte sie den Eindruck, dass überall an Haut und Kleidung etwas… baumelte, nein zappelte. Aber als die Neugier sie zum Aufschauen verleitete, stand er einfach nur stumm und felsenfest da, zerlumpt zwar, aber sonst nichts weiter als ein grober Kerl ohne einen Funken Anstand, der schlafenden Frauen ins Zimmer schaute, wo sie im Bett lagen…
    So ein mieser Kerl , dachte sie. Ich werde Robert auffordern…
    Aber sie vergaß bereits, was sie Robert sagen wollte. Sie wandte sich um und ging davon.
    Hinter ihr schlug eine Tür.
    War da jemand? Peter vielleicht?
    Was tat sie überhaupt hier draußen?
    Ach ja, ihr Blick fand den Strauß in der Hand. Sie hatte Blumen gepflückt, hübsche Wiesenblumen, die sie nun drinnen auf den Esstisch stellen wollte, damit ihr Gemahl sich daran erfreute. Und Beth.
    Wo waren sie nur?
    Meredith kehrte ins Haus zurück. Aus dem Strauß lösten sich insektenkleine Gebilde und krabbelten über ihre Hand in den Ärmel ihres Kleides.
    Sie verschwanden wie die Erinnerung an den Auftritt des rattenbehängten Schmieds.
    5.
    Gegenwart
    Es ist eine Lüge, eine barmherzige Lüge: Dass Menschen in der Erinnerung weiterleben. Dass sie irgendwie fortexistieren, solange da nur einer ist, der noch manchmal an sie denkt. Die Wahrheit ist sehr viel gnadenloser. Die Pharaonen haben versucht, Zeit und Tod zu überlisten, um sich ewig im Gedächtnis der Nachwelt zu halten. Es ist ihnen nicht gelungen. Sie alle waren lange, lange völlig vergessen. Dann fand man ihre Gräber. Aber selbst Monumente wie die Pyramiden sind endlich. Und diejenigen, die in ihrem Schatten wandeln, noch um vieles mehr. Es wird eine Zeit kommen, die nach kosmischem Maßstab nur ein Wimpernzucken entfernt ist, da niemand mehr an irgendjemanden denken und sich erinnern wird, erinnern kann. Weil niemand mehr auf Erden lebt - kein Mensch jedenfalls. Nein, die Mär vom ewigen Weiterleben in der Erinnerung von Menschen, die miteinander blutsverwandt oder befreundet (oder ineinander verliebt) waren, ist nicht anderes als eben das: eine Mär. Eine tröstliche Lüge, deren Trost der verliert, bereits verloren hat, wer sie durchschaut.
    O Nicole…
    Das Dunkel wich ebenso wie der seltsame Traum und die Gedanken, die ihn darin beschäftigt hatten. Zamorra war überrascht, überhaupt noch einmal zu sich zu kommen. Er hatte erwartet, dass die unbekannte Macht, die das Tate beherrschte, sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, ihn für immer auszuschalten.
    Stattdessen sagte eine Stimme, die er nie zuvor gehört hatte: »Wirst ein hübsches Sümmchen einbringen. Gut, dass dein Schädel so hart ist. Normalerweise spalte ich sie mit meiner Keule, bei deinem ging die Keule entzwei.« Der Mann, der gesprochen hatte, lachte meckernd. Er sprach in einem arabischen Dialekt, den Zamorra beherrschte.
    Exotische Gerüche stiegen dem Professor in die Nase. Er richtete sich auf, die Fesseln an Hand- und Fußgelenken ließen es zu. Es war kühl und dämmrig in dem weiß gekalkten Raum. Überall lagen Teppiche, und auch an den Wänden hingen welche.
    Räucherstäbchen glommen, Kerzen brannten.
    »Du willst mich verkaufen?«, wandte er sich an den Mann mit dem Turban, der nur zwei, drei Meter entfernt auf einem Kissenberg thronte und am Mundstück einer Wasserpfeife paffte. »Als Sklaven?«
    »Als was sonst?« Der Turbanträger schien nicht überrascht zu sein, dass sich seine »Beute« fast akzentfrei in seiner Landessprache mit ihm unterhielt.
    Zamorra überlegte. Ganz offenkundig war er wieder in einem Bild gelandet. Beziehungsweise das Bild hatte sich unter magischem Einfluss verselbstständigt und einen Mikrokosmos innerhalb des Tate erschaffen, in den es Zamorra verschlagen hatte - schlimmer noch, in den er längst integriert worden war, etwas, was er unter allen Umständen hatte vermeiden wollen.

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