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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Kleidung. Ihre Haut war unversehrt, nichts war zerfressen von Würmern oder Käfern.
    Hatte sie alles nur geträumt? Ihr Sterben, ihren Tod… die dunkle, quälende Zeit danach?
    Verwundert rieb sie sich die Augen. Blieb am Tor des Gebäudes stehen, auf das sie sich so zielstrebig zu bewegt hatte.
    Dahinter war Ilja. Wenn er noch da war.
    Sie wünschte es so sehr. Sie hatte ihm längst verziehen, dass sie seinetwegen gestürzt und gestorben war.
    Sie legte die Hand auf den Griff am Torflügel. Die andere tastete nach dem Riegel, ließ ihn aufschnappen.
    Quietschend schwang das Tor auf.
    Es war, als säge dieses Geräusch ein Loch in die bisherige Stille, und sofort war alles wieder da, was eine normale Nacht auszeichnete: das Rascheln von Blättern, Knirschen unter den Sohlen, Windgeräusche, Vogelrufe, Flattern…
    Sie stand auf der Schwelle und starrte ins Dunkel der Stallung.
    Und dann trat sie hinein.
    Sofort erstarb wieder jeder Laut. Als hätte sich eine Tür geschlossen, nicht geöffnet. Vor ihr in der Finsternis war keine Bewegung.
    Wo sind sie alle hin?
    Hier hatten sie gestanden, zwei Dutzend, und Ilja war nur liebstes von allen Pferden gewesen.
    Wo - ist er?
    Sie tappte auf den Platz zu, der für ihn reserviert gewesen war. Zunächst sah es aus, als wäre die Stelle so verlassen wie jede andere unter diesem Dach.
    Ihre Augen gewöhnten sich an das Dunkel. Und zu ihrer grenzenlosen Erleichterung sah sie, dass sie sich geirrt hatte: Nicht alle Pferde waren verschwunden, Ilja war da, stand an seinem alten Platz, hatte all die Zeit (wie lange war ich fort?) auf sie gewartet!
    »Ilja…«
    Der Klang ihrer eigenen Stimme war ihr fremd.
    Der Kopf des Hengstes wies in ihre Richtung. Er hatte die Ohren gespitzt. Gleich würde er sie erkennen, gleich…
    Sie wartete auf das Geräusch, mit dem er die Luft aus seinen Nüstern presste, mit dem er schnaubend zu verstehen gab, wie froh er über ihre Wiederkehr war.
    Er hatte sie nicht vergessen.
    Er hatte immer gewusst, dass sie zurückkommen würde.
    (Wusste ich selbst es denn?)
    Nur noch fünf Schritte… zwei…
    Sie blieb vor ihm stehen. Die Dunkelheit umrahmte ihn, und er war schöner denn je. Sie hatte noch nie so sehr an einem Pferd gehangen wie an ihm.
    Iljas Augen standen weit offen. Er starrte, ohne zu blinzeln.
    Sie hob die Hand, berührte die trockenkalten Nüstern, aus denen kein Atem strömte. Schon seit langer Zeit nicht mehr. Es dauerte dennoch lange, bis sich in ihr die Erkenntnis Bahn gebrochen hatte, was geschehen war.
    Ilja war noch da, aber sie würde nie mehr auf ihm ausreiten. Der Hengst, der vor ihr im einsamen Dunkel des Stalls stand, stank nach Chemikalien und erinnerte die Frau, die ihn gefunden hatte, an ihre eigene Zeit tief unten im Moor, wo nichts alterte, aber auch nichts Menschliches zu atmen imstande war.
    In ihrer Fantasie begrüßte das ausgestopfte Tier sie mit einem freudigen Wiehern. Sie lauschte dem Klang, der nie ihr Ohr erreichte. Dann drehte sie sich abrupt um und fing wieder an zu rennen. Zu flüchten. Wie von Furien gehetzt. Aus dem Stall und auf das stumme Haus zu, in dem sie einst gewohnt hatte. Vor dem Grab im Moor. In dem Leben, das sie eigentlich hinter sich gelassen hatte… und nun wiederhaben wollte…
    Die Tote war wieder da, auf nie erwartete Weise.
    Und die Welt - musste damit zurechtkommen.
    ***
    Elisabeth erwachte, weil ihr träumte, ein rostiger Nagel wühle sich durch ihr zartes, junges Fleisch. Durch Hals, Brust und Bauch. Es tat höllisch weh, und sie nutzte den Traumschmerz, um sich aus dem Schlaf zu flüchten. Mit jagendem Puls lag die Sechsjährige in ihrem Bett und sah zu, wie das Mondlicht Figuren und Bewegungen in ihr Zimmer zauberte, die - hoffentlich! - nicht mehr waren als reine Schattenspiele. Elisabeth krampfte die Hände fester um die nach Waschlauge riechende Zudecke und zog sie sich bis über den Mund. Die Wärme ihres Atems, der vom Stoff zurückgehalten wurde, beruhigte sie etwas.
    Aber dann kam das Geräusch, jener Ton , der die Stille durchsägte und die Angst in dem kleinen Mädchen explodieren ließ. Zunächst war er noch leise und klang wie ein schwaches Wimmern, aber er schwoll an, und schon bald übertönte er ihren wummernden Herzschlag.
    Mehr und mehr hörte es sich an wie schauriges… Weinen. Wie die Qual einer gefangenen Seele.
    Elisabeth' Augen waren weit aufgerissen, und ihr Blick durchstach zittrig das Zimmer auf der Suche nach der Quelle dieses furchtbaren Jammerns. Zum ersten

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