0897 - Zwei wie die Hölle
Fragerei noch nicht gekommen. Es ist alles etwas diffus und schwammig. Wir werden versuchen, die Nebel zu lichten. Der Junge ist jetzt müde. Ich habe ihn unter die Dusche geschickt, dann möchte er ins Bett. Ich werde Shao bitten, daß sie mit zu mir nach nebenan kommt. Wenn du dann erscheinst, kannst du ja klingeln.«
»Ist okay. Ich schnappe mir ein Taxi und komme.« Im Hintergrund hörte ich eine Stimme, dann sagte Suko. »Warte, John, hier möchte dich noch jemand sprechen.«
Dieser Jemand war Captain Miller. »Gratuliere, Kollege, gratuliere. Da ist euch ja ein Fang gelungen. Hätte ich nie für möglich gehalten. Kein Blutvergießen, keine Toten, das soll mal jemand nachmachen. Ich kann es noch nicht fassen, aber ich glaube, daß durch diese Verhaftung eine Bresche geschlagen worden ist und wir einer Killer-Organisation auf die Spur kommen.«
»Da kann ich Ihnen nur Glück wünschen. Und noch etwas, Captain. Mein Kollege Suko und ich sind außen vor. Wir haben mit diesem Fall nichts mehr zu tun, das wollte ich Ihnen noch mitteilen. Es ist allein Ihr Fall.«
»Dafür bedanke ich mich.«
»Wenn Sie ihn denn gelöst haben, lassen Sie von sich hören.«
»Das versteht sich. Sie aber auch, denn das Schicksal des Jungen interessiert mich schon.«
»Versprochen.«
Shao stand vor mir, als ich mich umdrehte. Sie hatte ihre Haare zurückgekämmt und im Nacken mit einem Gummiband zusammengebunden. Hübsch sah sie aus in ihrem weißen T-Shirt und der engen Samthose. Ihre dunklen Mandelaugen funkelten. »Sollen wir?«
»Ja.«
»Ich muß doch nichts mitnehmen?«
»Nein, bestimmt nicht.«
Wir verließen die Wohnung. Im Flur fragte sie mich: »Weißt du eigentlich, John, wie es weitergehen soll?«
»Meinst du mit dem Jungen?«
»Ja.«
Ich hob die Schultern. »Genau weiß ich es nicht. Ich werde ihn erst mal bei mir behalten, zumindest so lange, bis alles vorbei ist. Dann sehen wir weiter.«
»Das kann aber dauern.«
»Ich bin nicht das Schicksal, Shao.« Mit diesen Worten steckte ich den Schlüssel ins Schloß. Um Shao vorgehen zu lassen, drückte ich die Tür nach innen.
Beide hatten wir kaum die Wohnung betreten, als wir die Geräusche hörten.
Es waren Schreie. Dazwischen ein schreckliches Wimmern, als würde jemand gefoltert.
»Mein Gott, Gordy!« flüsterte ich nur…
***
Auf einmal war Gordy allein in der Wohnung. Er hatte die Tür zum Bad zwar nicht geschlossen, aber ihm kam diese Tatsache des Alleinseins plötzlich zu Bewußtsein, und er merkte, wie ihn das Gefühl der Furcht überkam.
Gordy zog sich aus. Er konnte ja nicht in seiner Kleidung unter die Dusche steigen. Während er sich auszog, schaute er sich um. Immer wieder ließ er seine Blicke über die Wände des Bads gleiten.
Auch die Tür sah er sich genauer an, aber dort erschien niemand. Soweit er den Flur überblicken konnte, war er leer. Trotzdem öffnete er die Tür noch weiter, und er war trotzdem nicht beruhigt.
Es mochte an der Stille liegen, die es in der Wohnung gab. Sie hielt ihn dicht umfangen, und er hörte nur das Tapsen seine nackten Füße auf dem Kachelboden. Die Dusche befand sich zum Glück nicht in der Wanne, er konnte hineinsteigen und dachte daran, was ihm John Sinclair gezeigt hatte.
Da gab es eine Mischbatterie, an der er die Temperatur einstellen konnte. Gordy stieg erst in die Kabine, als er das Wasser als angenehm empfand. Es dauerte eine Weile, bis er sich ein gewisses Unbehagen fortgespült hatte, stellte er die Dusche ab. Während er sich die Haare einseifte, dachte er an Eden, seinen Hund!
Plötzlich zuckten seine Lippen. Zugleich spürte er das Brennen in den Augen, und das kam nicht von Shampoo. Er hatte Eden einfach zu stark geliebt. Jetzt merkte er überdeutlich, daß er den Tod seines Freundes noch nicht überwunden hatte.
Sein Herz klopfte schneller. Im Magen lag plötzlich der Klumpen, und Gordy zitterte auch.
Seltsamerweise empfand er keinen Haß gegen den Mörder. John und Suko, seine Freunde, hatten ihm alles erklärt, und sie hatten nicht anders handeln können. Alles war nicht richtig gelaufen, sie hatten nur einen Menschen retten wollen, auch wenn dieser Mensch ein Verbrecher gewesen war.
Gordys Arme sanken nach unten. Für eine gewisse Weile stand er bewegungslos in der Dusche und schaffte es nicht, überhaupt an irgend etwas zu denken.
Leer, er war so leer.
Automatisch griff er zum Hebel, um das Wasser wieder anzustellen. Wuchtig klatschte er nach unten, und wieder umgab ihn der warme
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