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09 - Befehl von oben

09 - Befehl von oben

Titel: 09 - Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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aus wie das ausgefranste Ende eines Seiles, wo immer neue Leute dazukamen und sich just zu diesem Seil verdichteten, so daß es den Anschein hatte, als entwickle es sich selbst aus dem Nichts und ergänze sich immer wieder. Sie betraten das Gebäude in Gruppen zu etwa fünfzig, und das Öffnen und Schließen der Türen wurde von jemandem mit einer Uhr oder der langsam zählte, geregelt. Je ein Soldat der verschiedenen Waffengattungen hielt Ehrenwache, im Moment unter Befehl eines Air Force Captain. Sie und die Särge standen still, während die Leute vorüberzogen.
    Ryan betrachtete kurz nach seiner Ankunft ihre Gesichter auf dem Bürofernseher. Es war wieder vor Sonnenaufgang, und fragte sich, was sie wohl dachten und warum sie gekommen waren. Nur wenige hatten tatsächlich für Roger Durling gestimmt. Immerhin war er nur Mitbewerber gewesen, zweiter Listenplatz, und nur durch Bob Fowlers Rückzug Präsident geworden. Doch Amerika schloß seine Präsidenten in die Arme, und im Tod empfing Roger so viel Liebe und Verehrung, wie er zu Lebzeiten nie erfahren hätte. Einige der Trauernden traten vom Sarg etwas zurück und sahen sich in der Eingangshalle des Gebäudes um, die viele von ihnen zuvor nie betreten hatten. Sie nutzten ihre paar Sekunden dort und ließen ihre Blicke von der Ursache ihres Kommens abschweifen, ehe sie dann die Treppen hinuntergingen und das Gebäude durch den Osteingang verließen, jetzt in Gruppen von Freunden oder Verwandten oder auch allein, um wieder die Stadt zu verlassen -und ihren Geschäften nachzugehen. Dann wurde es Zeit für ihn, dasselbe zu tun - genauer, zu seiner Familie zurückzukehren und sich auf die Aufgaben des folgenden Tages vorzubereiten.
*
    Warum nicht? hatten sie bei ihrer Ankunft auf dem Dulles International Airport entschieden. Glücklicherweise hatten sie an der Endstation von Metros Yellow Line ein billiges Motel gefunden, waren mit der U-Bahn in die Stadt gefahren und an der Station Farragut Square ausgestiegen, da waren es nur ein paar Blocks bis zum White House. Für beide war das das erstemal - keiner von beiden war schon in Washington gewesen, dieser verfluchten Stadt am kleinen Fluß, die das ganze Land verpestete, von dem sie Blut und Schätze saugte - das war so ein Lieblingssatz der Mountain Men. Es dauerte, bis sie das Ende der Schlange fanden, und weitere Stunden, sich mit ihr vorwärts zu bewegen. Dabei waren sie froh, daß sie wenigstens wußten, wie man sich bei Kälte anzog, was man von den Ostküstenidioten bei ihnen in der Schlange nicht sagen konnte, mit ihren dünnen Mänteln und bloßen Köpfen. Es fiel ihnen schwer, keine Witze darüber zu reißen, was geschehen war. Statt dessen hörten Pete Holbrook und Ernest Brown sich an, was andere in der Schlange so von sich gaben. Das aber war enttäuschend. Vielleicht waren viele von ihnen Bundesangestellte, dachten die beiden. Manche jammerten sogar, wie traurig das alles war, was Roger Durling doch für ein netter Mensch gewesen sei, wie attraktiv seine Frau gewesen und wie niedlich die Kinder waren und wie schlimm es für sie sein mußte.
    Gewiß, die beiden Mitglieder der Mountain Men mußten dem zustimmen, yeah, sicher war's schlimm für die Kids - und wer hatte Kids nicht gern? -, aber Rührei war sicher auch was, das Mama Huhn nicht gern sah, stimmt's? Und wieviel Leid hatte ihr Vater über ehrliche Bürger gebracht, die nur ihr verfassungsmäßiges Recht haben wollten, in Ruhe gelassen zu werden von all den nutzlosen Wichsern Washingtons ?
    Doch das sagten sie nicht. Sie hielten die meiste Zeit den Mund, während die Schlange sich dahinwand. Beide kannten die Story vom Schatzamt, das ihnen für 'ne Weile Schutz vorm Wind bot; wie Andy Jackson entschieden hatte, es genau dahin zu bauen, damit er vom White House nicht das Capitol anschauen mußte (in der Dunkelheit konnten sie selbst nicht viel sehen), und so Pennsylvania Avenue den berühmten und ärgerlichen Knick verpaßte - nicht, daß das noch was ausmachte, denn sie war ja vorm White House sowieso abgesperrt worden. Und warum? Um den Präsidenten vor den Bürgern zu schützen! Konnten den Bürgern nicht trauen, dem großen Wichtigtuer zu nahe zu kommen. Das konnten sie natürlich auch nicht sagen. Man konnte ja nie wissen, wie viele Regierungstypen rumspionierten, gerade hier in der Schlange zum White House. Diesen Namen fürs Gebäude akzeptierten sie nur, weil er angeblich von Davy Crockett stammte. Holbrook wußte das noch von 'nem Film

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