09 - Denn sie betrügt man nicht
murmelte Barbara, als sie den Namen las, und lachte erfreut. Sie hatte ihre letzten drei Schulungen an der Akademie in Maidstone Seite an Seite mit Emily Barlow absolviert.
Dies, sagte sie sich, war eindeutig ein Zeichen: ein Blitz aus heiterem Himmel, eine Botschaft der Götter, die Schrift - rote Leuchtreklame - an der Wand ihrer Zukunft. Es hieß nämlich nicht nur, daß sie dank ihrer Bekanntschaft mit Emily Barlow hoffen konnte, leichten Zugang zum Ermittlungsteam zu finden; es hieß auch, daß ihr hier ein glücklicher Zufall den Weg bereitet hatte, in eine praktische Lehre zu gehen, durch die ihre eigene Karriere einen kräftigen Schub erhalten könnte. Denn keine Frau war kompetenter, besser geeignet für schwierige Ermittlungen, begabter in der Kunst diplomatischer Polizeiarbeit als Emily Barlow. Und Barbara wußte, daß das, was sie in nur einer Woche Zusammenarbeit mit Emily lernen konnte, wertvoller war als alles, was ein kriminologisches Lehrbuch vermitteln konnte.
Von den Teilnehmern der Lehrgänge, die sie gemeinsam absolviert hatten, war Emily damals nur Barlow die Schreckliche genannt worden. In einer Welt, in der Männer allein aufgrund der Tatsache, daß sie Männer waren, in hohe Positionen aufstiegen, hatte sie sich den Weg nach oben freigekämpft, indem sie sich den Vertretern des anderen Geschlechts in jeder Hinsicht gewachsen gezeigt hatte.
»Sexismus?« hatte sie eines Abends, als sie gerade auf einem Ruderapparat ihre Muskeln trainierte, auf eine entsprechende Frage Barbaras erwidert und das Tempo nicht eine Spur zurückgenommen, um zu antworten. »Die Frage stellt sich mir gar nicht. Wenn die Kerle einmal kapiert haben, daß sie eins in die Eier kriegen, wenn sie frech werden, trauen sie sich nicht mehr. Frech zu werden, meine ich.«
Und unerschrocken war sie weiter vorwärtsgestürmt, nur ein Ziel vor Augen: eines Tages auf dem Stuhl des Chief Constable Platz zu nehmen. Und da sie bereits mit siebenunddreißig Chief Inspector geworden war, würde sie dieses Ziel vermutlich mühelos erreichen.
Barbara schlang die Reste ihres Abendessens hinunter, bezahlte und hinterließ Suzi ein großzügiges Trinkgeld. Heiterer als seit Tagen lief sie zu ihrem Mini hinaus und brauste los. Nun konnte sie ein Auge auf Hadiyyah haben und dafür sorgen, daß Taymullah Azhar nicht zu weit ging und sich Ärger einhandelte. Und konnte, zusätzliche Belohnung für ihre Bemühungen, Barlow der Schrecklichen bei der Arbeit zusehen und hoffen, daß etwas vom Glanz dieses bemerkenswerten Chief Inspectors auf einen bescheidenen kleinen Sergeant abstrahlte.
»Soll ich Ihnen Presley zur Unterstützung schicken, Inspector?«
Chief Inspector Emily Barlow hörte die spitze Frage ihres Vorgesetzten und übersetzte sie im Geist, ehe sie antwortete. In Wirklichkeit meinte er: »Ist es Ihnen gelungen, die Pakistanis zu beschwichtigen? Wenn nicht, habe ich nämlich einen anderen Chief Inspector, der Ihnen diese Aufgabe abnehmen und angemessene Arbeit leisten kann.« Donald Ferguson stand vor der Beförderung zum Assistant Chief Constable und hatte nicht das geringste Interesse daran, daß sich auf seinem bisher so glatten Karriereweg plötzlich politische Schlaglöcher auftaten.
»Ich brauche keine Unterstützung, Don. Wir haben die Situation im Griff.«
Ferguson lachte bellend. »Wir haben zwei Leute im Krankenhaus und eine Bande Pakistanis in hochexplosiver Stimmung. Erzählen Sie mir nicht, wir hätten die Situation im Griff, Barlow. Also, wie schaut's aus?«
»Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt.«
»Na toll.« Fergusons Stimme troff vor Sarkasmus. Emily überlegte, wieso der Superintendent um diese Abendstunde noch an seinem Schreibtisch war; die Demonstration hatte sich längst aufgelöst, und Ferguson hatte nie zu denen gehört, die über der Arbeit die Zeit vergaßen. Sie wußte, daß er in seinem Büro war, weil sie ihn dort zurückgerufen hatte. Sie hatte die Nummer sehr schnell auswendig gelernt, als sie gemerkt hatte, daß prompte Rückmeldung auf telefonische Stippvisiten von höherer Stelle Teil ihrer neuen Aufgabe sein würde. »Ja, das ist wirklich toll, Barlow«, fuhr er fort. »Darf ich fragen, wie lange es Ihrer Meinung nach dauern wird, bevor er und seine Freunde wieder auf die Straße gehen?«
»Wenn Sie mir mehr Leute gäben, brauchten wir uns in dieser Richtung keine Sorgen zu machen.«
»Ausgeschlossen. Es sei denn, Sie wollen Presley.«
Einen weiteren Chief Inspector? Nie im Leben, dachte
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