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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihr ihr Leben, und diese Schuld würde immer zwischen ihnen stehen, auch wenn kein Kind sie je willentlich eingeht.
    »Das muß eine schwere Zeit für dich gewesen sein«, sagte Emily, als Barbara schwieg. »Du hast dir die Entscheidung bestimmt nicht leicht gemacht.«
    »Nein. Trotzdem hab' ich das Gefühl, daß ich ihr etwas schuldig geblieben bin.«
    »Wieso?«
    »Ich weiß auch nicht. Weil ich ihr mein Leben verdanke, nehme ich an.«
    Emily nickte nachdenklich. Der Blick, mit dem sie Barbara betrachtete, schien prüfend zu sein, und bei dieser Musterung begann Barbaras Gesichtshaut unter den Pflastern plötzlich heftig zu jucken. Es war drückend heiß in dem kleinen Raum, und obwohl das einzige Fenster, das aus irgendeinem Grund schwarz gestrichen war, offenstand, bewegte sich kein Lüftchen in der Küche.
    Emily raffte sich auf. »Essen«, sagte sie. Sie ging zum Kühlschrank, kauerte vor ihm nieder und holte einen Familienbecher Joghurt heraus. Aus einem Schrank nahm sie eine Schüssel und löffelte eine große Portion Joghurt hinein. Sie griff nach einem Päckchen mit Trockenfrüchten und Nüssen. »Wahnsinn, diese Hitze«, sagte sie und rubbelte sich mit einer Hand die Haare. »Diese fürchterliche Hitze!« Sie riß das Päckchen mit den Zähnen auf.
    »Das schlimmste Wetter für ernsthafte Ermittlungsarbeit«, meinte Barbara. »Jeder ist gereizt und explodiert beim geringsten Anlaß.«
    »Das kannst du zweimal sagen«, stimmte Emily zu. »Ich war in den letzten zwei Tagen hauptsächlich damit beschäftigt zu verhindern, daß die Pakistanis einen Aufstand proben und daß mein Chef seinem Golfpartner die Ermittlungsleitung für diesen Fall überträgt.«
    Barbara war froh, daß Emily ihr diese Einstiegsmöglichkeit geboten hatte. »Die heutige Demonstration ist sogar im Fernsehen übertragen worden. Wußtest du das?«
    »O ja.« Emily schüttete die Hälfte der Nüsse und Trockenfrüchte aus dem Päckchen auf den Joghurt und rührte mit dem Löffel um, ehe sie aus einer Obstschale auf der Arbeitsplatte eine Banane nahm. »Die Asiaten erschienen in geballter Ladung bei einer Stadtratssitzung, um mit Gebrüll ihre Bürgerrechte einzuklagen. Einer von ihnen machte die Medien mobil, und als ein Fernsehteam erschien, fingen sie an, mit Betonbrocken zu werfen. Sie haben Leute von außen geholt, die sie unterstützen sollen. Und Ferguson - das ist mein Chef - ruft mich seitdem stündlich an, um mir zu erklären, wie ich meine Arbeit zu tun habe.«
    »Worum geht es den Asiaten in erster Linie?«
    »Das kommt darauf an, mit wem man spricht. Sie möchten unbedingt etwas aufdecken: eine Vertuschung, Verschleppungstaktik der Polizei, eine Verschwörung innerhalb der Kripo oder die Anfänge einer ethnischen Säuberung. Du kannst dir's aussuchen.«
    Barbara setzte sich auf einen der beiden Metallstühle. »Und was kommt der Wahrheit am nächsten?«
    Emily warf ihr einen scharfen Blick zu. »Großartig, Barb. Du redest genau wie sie.«
    »Entschuldige. Ich wollte natürlich nicht unterstellen -«
    »Vergiß es. Ich hab' sowieso schon die ganze Welt auf dem Hals, warum nicht auch dich?« Aus einer Schublade nahm Emily ein kleines Messer und begann, die Banane in den Joghurt mit den Nüssen und den Trockenfrüchten zu schnipseln. »Die Situation ist folgende: Ich versuche, möglichst alles unter Verschluß zu halten. Die Lage in der Gemeinde ist verdammt brenzlig, und wenn ich nicht aufpasse, wer was und wann erfährt, gibt's hier im Ort einen, der sich als der große Rächer betrachtet und bestimmt sofort losballern wird.«
    »Wer ist das?«
    »Ein Moslem. Muhannad Malik.« Emily erklärte seine Beziehung zu dem Toten und schilderte die Bedeutung der Familie Malik - und somit auch Muhannads - in Balford-le-Nez. Sein Vater, Akram, war vor elf Jahren mit seiner Familie und dem Traum von einem eigenen Geschäft in die Stadt gekommen. Im Gegensatz zu den meisten asiatischen Einwanderern, die sich auf den Betrieb von Restaurants, Lebensmittelgeschäften, chemischen Reinigungen oder Tankstellen beschränkten, fühlte sich Akram Malik zu Höherem berufen. Er erkannte, daß er in diesem wirtschaftlich darniederliegenden Gebiet vielleicht nicht nur als künftiger Arbeitgeber willkommen geheißen werden würde, sondern die Chance hatte, Großes zu leisten. Er hatte klein angefangen, im Hinterzimmer einer Bäckerei in der Old Pier Street, wo er Senf hergestellt hatte. Nun hatte er eine komplette Fabrik im Norden des Ortes, wo so

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