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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Muhannad Malik zu bändigen. Was dann leider doch nicht gelungen ist.«
    »Es war aber doch nicht seine Sitzung.«
    »Und da es um den Tod eines Menschen ging und um die Sorge dieser Leute, wie die Polizei -«
    »Um die Sorge dieser Leute! Um ihre Sorge«, spottete Agatha.
    »Großmutter, es war einfach nicht der richtige Moment. Ich konnte nicht mitten in einer chaotischen Situation Forderungen stellen, vor allem keine, bei denen es um Wiederaufbau geht.«
    Sie stieß ihren Stock in den Teppich. »Warum nicht?«
    »Weil ich es für wichtiger halte, die Hintergründe dieses Todesfalls auf dem Nez zu klären, als über die Finanzierung der Renovierung vom Pier End Hotel zu verhandeln.« Er hob abwehrend die Hand. »Nein, einen Augenblick noch, Großmutter. Laß mich ausreden. Ich weiß, wie wichtig dir dieses Projekt ist. Mir ist es auch wichtig. Es ist für die ganze Stadt wichtig. Aber du mußt doch einsehen, daß es sinnlos wäre, in Balford Geld hineinzupumpen, wenn am Ende nichts von Balford übrigbleibt.«
    »Du willst doch nicht im Ernst behaupten, daß diese Asiaten die Macht oder auch nur die Dreistigkeit besitzen, diese Stadt zu zerstören? Da würden sie sich ja den Ast absägen, auf dem sie sitzen.«
    »Ich behaupte, wenn zukünftige Besucher in dieser Stadt fürchten müssen, wegen ihrer Hautfarbe angegriffen zu werden, können wir alles Geld, das wir für Sanierungsprojekte ausgeben, genausogut verbrennen.«
    Er überraschte sie. Einen Moment lang sah Agatha den Schatten seines Großvaters in ihm. Lewis hätte genauso gedacht.
    »Hm«, brummte sie.
    »Du siehst doch ein, daß ich recht habe.« Er kleidete seine Worte nicht in eine Frage, sondern brachte sie als Feststellung vor. Genau wie Lewis es getan hätte. »Ich werde ein paar Tage abwarten, bis die Spannung sich legt, und dann eine neue Sitzung organisieren. Das ist die beste Lösung. Du wirst sehen.« Er warf einen Blick auf die antike Uhr auf dem Kaminsims und stand auf.
    »Und jetzt ist es Zeit, daß du ins Bett kommst. Ich hole Mary Ellis.«
    »Ich kann Mary Ellis schon selbst rufen, wenn ich zu Bett gehen möchte, Theodore. Hör endlich auf, mich wie -«
    »Keine Widerrede.« Er ging zur Tür.
    Sie sprach, ehe er sie öffnen konnte. »Du gehst weg?«
    »Ich sagte, ich hole -«
    »Das weiß ich. Das habe ich nicht gemeint. Ich möchte wissen, ob du heute abend wieder ausgehst, Theo.« Seine Miene verriet ihr, daß sie zu weit gegangen war. Selbst Theos Gutmütigkeit hatte ihre Grenzen. Und er zog sie dort, wo sein Privatleben begann.
    »Ich frage nur, weil ich mir nicht sicher bin, ob deine nächtlichen Wanderungen im Augenblick ratsam sind. Wenn die Situation in der Stadt so ist, wie du sagst - so angespannt -, dann denke ich, sollte man nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht außer Haus gehen. Du bist doch nicht wieder mit dem Boot hinausgefahren? Du kennst meine Einstellung zu nächtlichen Segelpartien.«
    Theo sah sie von der Tür aus an. Da zeigte er sich wieder, Lewis' Schatten: in diesen Gesichtszügen, die zu einer freundlichen, aber völlig unergründlichen Maske gerannen. Wann hatte er gelernt, sich so zu verstellen? fragte sie sich. Und warum hatte er es gelernt?
    »Ich hole jetzt Mary Ellis«, sagte er und ließ sie mit ihren unbeantworteten Fragen zurück.
    Sahlah durfte an der Besprechung teilnehmen, da der Mann, dem man das Leben genommen hatte, ja ihr Verlobter gewesen war. Sonst hätte sie nicht dabeisein dürfen, das wußte sie. Die moslemischen Männer ihrer Bekanntschaft pflegten dem Wort einer Frau keinerlei Gewicht beizumessen, und wenn auch ihr Vater ein sanftmütiger Mann war, der seine Zärtlichkeit meist nur zeigte, indem er ihr im Vorübergehen leicht über die Wange strich, war er doch, wenn es um die Konventionen ging, Moslem, bis ins Mark. Er sprach jeden Tag fünfmal mit inniger Frömmigkeit seine Gebete; er war bei seiner dritten Lesung des heiligen Koran; er sorgte dafür, daß ein Teil seines Geschäftsgewinns den Armen zufloß; und zweimal schon war er den Spuren von Millionen von Muslimen gefolgt, die zur Kaba gepilgert waren. Während Sahlah also an diesem Abend am Gespräch der Männer teilhaben durfte, bestand die ganze Aufgabe ihrer Mutter darin, aus der Küche Speisen und Getränke heranzutragen, während Sahlahs Schwägerin sich rar machte. Yumn tat dies natürlich aus zwei Gründen: einerseits als Referenz an das haya - Muhannad bestand auf der traditionellen Auffassung weiblicher Schamhaftigkeit

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