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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hatte ihn nicht gegen die Menschen einnehmen können, die er künftig als seine Landsleute annehmen wollte. In seinen Augen hatte Muhannad an diesem Tag Schande über die ganze pakistanische Gemeinde gebracht. Und das würde Akram Malik so bald nicht vergessen.
    »Wer am lautesten schreit, hat am wenigsten zu sagen«, entgegnete er.
    Muhannads Blick wurde scharf. »Wir müssen uns jetzt organisieren. Und darauf versteht Azhar sich.«
    »Was heißt jetzt, Muni? Ist Haytham weniger tot, als er gestern um diese Zeit war? Ist die Zukunft deiner Schwester weniger zerstört? Wie soll die Anwesenheit eines Mannes das ändern, was ist?«
    »Das kann ich dir sagen«, gab Muhannad zurück, und sein Ton verriet Sahlah, daß er sich seinen Trumpf bis zuletzt aufgehoben hatte. »Sie geben jetzt zu, daß es Mord ist.«
    Akrams Gesicht wurde ernst. So irrational das gewesen sein mochte, er hatte sich selbst, seine Familie und besonders Sahlah damit zu trösten versucht, daß er an der Überzeugung festgehalten hatte, Haythams Tod sei die Folge eines Unglücksfalls gewesen. Jetzt, da Muhannad die Wahrheit ans Licht gezerrt hatte, würde er, das war Sahlah klar, umdenken müssen. Er würde die Frage nach dem Warum stellen müssen, was ihn sehr wohl in eine Richtung führen konnte, die er gar nicht einschlagen wollte.
    »Zugegeben, Vater. Uns gegenüber. Aufgrund dessen, was sich heute während der Stadtratssitzung und hinterher auf der Straße abgespielt hat. Warte. Sag noch nichts.« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, stand Muhannad auf und ging zum offenen Kamin, wo auf dem Sims eine ganze Galerie gerahmter Familienfotografien stand. »Ich weiß, daß ich dich heute verärgert habe. Ich gebe zu, daß alles etwas außer Kontrolle geraten ist. Aber sieh dir doch bitte an, was ich erreicht habe. Und Azhar war derjenige, der vorgeschlagen hat, wir sollten auf der Stadtratssitzung den Anfang machen. Azhar, Vater! Als ich ihn in London angerufen habe. Kannst du behaupten, daß die Polizei zugegeben hat, daß es sich um Mord handelt, als du mit ihnen gesprochen hast? Mir gegenüber haben sie's jedenfalls nicht getan. Und Sahlah haben sie schon überhaupt nichts gesagt.«
    Sahlah senkte die Lider, als die Männer zu ihr herübersahen. Sie brauchte die Worte ihres Bruders nicht zu bestätigen. Akram war bei ihrem kurzen Gespräch mit dem Constable, der sie von Haythams Tod informiert hatte, zugegen gewesen. Er wußte genau, was gesprochen worden war: »Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß es auf dem Nez einen Todesfall gegeben hat. Der Tote ist, soweit wir feststellen konnten, ein gewisser Haytham Querashi. Wir brauchen dennoch jemanden, der den Toten offiziell identifizieren kann, und soweit wir unterrichtet sind, wollten Sie ihn heiraten.«
    »Ja«, hatte Sahlah gefaßt geantwortet, während es in ihrem Inneren nein, nein, nein schrie.
    »Das mag sein«, sagte Akram zu seinem Sohn. »Aber du bist zu weit gegangen. Wenn einer von uns gestorben ist, ist es nicht deine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß er wieder aufersteht, Muhannad.«
    Sahlah wußte, daß er nicht von Haytham sprach. Er sprach von Taymullah Azhar. Seine Eltern hatten ihn für tot erklärt, und folglich war er von allen Mitgliedern der Familie als tot anzusehen. Wenn man ihm auf der Straße begegnete, sah man entweder durch ihn hindurch oder wandte den Blick ab. Sein Name wurde niemals erwähnt. Niemals wurde über ihn gesprochen, auch nicht in indirekter Weise. Und wenn man an ihn dachte, so beschäftigte man seinen Geist rasch mit anderen Dingen, um sich nicht durch die Gedanken an ihn dazu verleiten zu lassen, von ihm zu sprechen und dadurch wiederum verführt zu werden, seine Rückkehr in die Familie zu erwägen. Sahlah war zu jung gewesen, um zu erfahren, welches Verbrechen wider die Familie Azhar begangen hatte, um verstoßen zu werden, und danach war es ihr streng verboten gewesen, mit irgend jemandem über ihn zu sprechen.
    Zehn Jahre Einsamkeit, dachte sie, während sie ihren Vetter beobachtete. Zehn Jahre einzig und allein auf sich gestellt. Wie war das für ihn gewesen? Wie hatte er ohne seine Familie überlebt?
    »Was ist denn wichtiger?« Muhannad bemühte sich, ruhig und vernünftig zu sein. Er wollte die Mißstimmung zwischen sich und seinem Vater nicht noch verschärfen. Er konnte es nicht riskieren, selbst verstoßen zu werden. Er hatte eine Frau und zwei Kinder, für die er sorgen mußte. »Was ist wichtiger, Vater, den Mann zu finden, der

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