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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wohl zu sagen - ließen die Atmosphäre des Zimmers noch drückender erscheinen, als steigerten sie die Temperatur nochmals um zehn Grad. Und obwohl ihr Enkel die Gesteinsbrocken mit großer Sorgfalt zu reinigen pflegte, erfüllten sie die Luft mit einem aufdringlichen Geruch nach fruchtbarer Erde.
    Theo trat vom Telefon zu dem breiten Eichentisch, der mit einer feinen Staubschicht bedeckt war, da er Mary Ellis nicht erlaubte, dort sauberzumachen und womöglich die Fossilien durcheinanderzubringen, die er in unterteilten flachen Holzkästen angeordnet hatte. Vor dem Tisch stand ein alter Sessel mit hoher Rückenlehne. Den drehte er jetzt zu ihr herum.
    Sie verstand die Geste sofort, er bot ihr einen Sitzplatz an, den sie ohne Mühe erreichen konnte, und hätte ihn am liebsten ins Ohr gekniffen, bis er schrie. Sie war noch nicht bereit für das Grab, obwohl es bereits ausgehoben war, und sie konnte auf diese zartfühlenden Gesten verzichten, die zeigten, daß andere bereits mit ihrem Ableben rechneten. Sie blieb stehen.
    »Und das Endresultat?« fragte sie, als wäre ihr Gespräch nicht unterbrochen worden.
    Er zog die Augenbrauen zusammen. Mit dem Rücken seines gekrümmten Zeigefingers wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Sein Blick flog zum Telefon und kehrte dann zu ihr zurück.
    »Dein Liebesleben interessiert mich nicht im geringsten, Theodore. Du wirst noch früh genug erfahren, daß es ein Oxymoron ist. Ich bete jeden Abend darum, daß du den Verstand entwickelst, dich weder von deiner Nase noch von deinem Penis leiten zu lassen. Was du sonst mit deiner freien Zeit anfängst, geht nur dich und die Person an, mit der du den flüchtigen Genuß der Fleischeslust teilst. Obwohl mir schleierhaft ist, wie man bei dieser Hitze an Geschlechtsverkehr auch nur -«
    »Großmutter!« Theos Gesicht war flammendrot.
    Mein Gott, dachte Agatha. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt und hat die sexuelle Reife eines Teenagers. Sie konnte nur schaudern bei der Vorstellung, seinem täppischinbrünstigen Gegrapsche ausgesetzt zu sein. Sein Großvater - dem man sicher vieles vorwerfen konnte, zum Beispiel, daß er sich mit zweiundvierzig aus dem Leben gestohlen hatte - hatte es wenigstens verstanden, eine Frau zu nehmen, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Mehr als eine Viertelstunde hatte Lewis nie gebraucht, und wenn sie besonderes Glück gehabt hatte, war die Sache in weniger als zehn Minuten erledigt gewesen. Der Geschlechtsakt war in ihren Augen reine Gesundheitsvorsorge: Man mußte die Körpersäfte in Fluß halten, wenn man gesund bleiben wollte.
    »Was haben sie uns versprochen, Theo?« fragte sie. »Du hast natürlich auf Anberaumung einer neuen Sondersitzung gedrungen.«
    »Also, ich ...« Er blieb stehen wie sie. Doch er griff nach einem seiner kostbaren Fossilien und drehte es in seinen Händen.
    »Du wirst doch geistesgegenwärtig genug gewesen sein, eine neue Sitzung zu verlangen, Theo? Du hast doch nicht einfach diesen Farbigen das Kommando überlassen, ohne etwas zu unternehmen?«
    Sein betretener Blick war ihr Antwort genug.
    »Mein Gott!« sagte sie. Er war seiner hirnlosen Mutter so ähnlich.
    Agatha mußte sich setzen, obwohl sie es nicht wollte. Sie ließ sich langsam in den Sessel sinken und setzte sich so, wie man sie es in ihrer Jugend gelehrt hatte - als hätte sie ein Lineal im Rücken. »Was um alles in der Welt ist eigentlich los mit dir, Theodore Michael?« fragte sie. »Und setz dich bitte. Ich möchte mir nicht unbedingt einen steifen Hals holen.«
    Er zog einen alten Lehnstuhl heran, um sich ihr gegenüber zu setzen. Auf dem verschossenen Cordsamtbezug der Sitzfläche war ein froschförmiger Fleck, über dessen Entstehung Agatha lieber keine Vermutungen anstellen wollte.
    »Es war nicht der richtige Moment«, sagte er.
    »Es war nicht der - was?« Sie hatte ihn genau verstanden, aber sie wußte aus langer Erfahrung, daß das wirksamste Mittel, den anderen ihrem Willen zu unterwerfen, darin bestand, ihn zu zwingen, seine eigene Überzeugung mit solcher Gewissenhaftigkeit zu prüfen, daß er sie am Ende zugunsten der ihrigen verwarf.
    »Es war nicht der richtige Moment, Großmutter.« Theo setzte sich. Die bloßen Arme auf die in beigefarbenes Leinen gehüllten Knie gestützt, neigte er sich zu ihr. Er hatte eine Art, die den Werbespruch »Leinen knittert edel« zu bestätigen schien. Sie fand solch modisches Flair unpassend für einen Mann. »Der Stadtrat hatte alle Hände voll damit zu tun,

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