09 - Denn sie betrügt man nicht
zufälligen Entdecker der Leiche spielte, weil er hoffte, auf diese Weise den Verdacht um so wirksamer von sich abzulenken. Aber etwas, was Emily zuvor bemerkt hatte, veranlaßte Barbara, einen anderen Kurs einzuschlagen. »Vergiß mal einen Moment lang den Wagen. Du hast gesagt, daß Querashi drei Kondome und zehn Pfund bei sich hatte. Könnte es nicht sein, daß er sich auf dem Nez mit jemandem verabredet hatte, um vor der Ehe noch ein bißchen Spaß zu haben? Vielleicht mit einer Prostituierten? Es wäre doch denkbar, daß er nicht riskieren wollte, von jemandem gesehen zu werden, der seinem zukünftigen Schwiegervater von seiner Eskapade berichtet hätte.«
»Kennst du eine Prostituierte, die's für zehn Pfund macht, Barb?«
»Wenn sie jung ist. Dringend Geld braucht. Vielleicht gerade erst anfängt.« Als Emily den Kopf schüttelte, sagte Barbara: »Dann hat er sich vielleicht mit einer Frau getroffen, die sonst unerreichbar für ihn gewesen wäre, mit einer verheirateten Frau. Der Ehemann kam dahinter und hat ihn erledigt. Kann es sein, daß Querashi Armstrongs Frau kannte?«
»Wir suchen generell nach Verbindungen zu einer verheirateten Frau«, sagte Emily.
»Und dieser Muhannad«, fragte Barbara, »ist der verheiratet?«
»O ja«, antwortete Emily ruhig. »O ja. Den haben Mama und Papa vor drei Jahren unter die Haube gebracht.«
»Ist die Ehe glücklich?«
»Frag mich was Leichteres. Da teilen deine Eltern dir eines Tages mit, daß sie dir den Partner fürs Leben ausgesucht haben. Du lernst diesen Menschen kennen, und ein paar Monate später bist du mit ihm im Ehekäfig eingesperrt. Hört sich das nach einem Rezept für eine glückliche Ehe an?«
»Eigentlich nicht. Aber die halten das doch schon seit Jahrhunderten so, es kann also nicht ganz schlecht sein.«
Emily warf ihr einen Blick zu, der Bände sprach. Eine Weile schwiegen sie beide und hörten nur dem Lied der Nachtigall zu. In Gedanken schob Barbara die Fakten herum, die Emily ihr geliefert hatte. Die Leiche, das Auto, die Schlüssel im Gebüsch, der Bunker am Strand, ein gebrochenes Genick.
Schließlich sagte sie: »Weißt du, wenn in Balford jemand auf Rassenkonflikt fixiert ist, spielt es im Grunde überhaupt keine Rolle, wen ihr festnehmt, nicht wahr?«
»Wieso?«
»Wenn die Betreffenden eine Festnahme zum Vorwand nehmen wollen, um Unruhe zu stiften, dann werden sie das so oder so tun. Steckt ihr einen Engländer in den Knast, dann machen sie Krawall, weil der Mord für sie ein Zeichen des allgemeinen Fremdenhasses ist. Steckt ihr einen Pakistani in den Knast, dann beschuldigen sie die Polizei des Rassenvorurteils. Man kann es drehen und wenden, wie man will, es kommt immer das gleiche heraus.«
Emily musterte Barbara mit forschendem Blick. Als sie wieder sprach, machte sie den Eindruck, als wäre sie plötzlich auf eine kluge Idee gekommen. »Natürlich«, sagte sie. »Wie kommst du in Ausschüssen zurecht, Barb?«
»Was?«
»Du hast doch vorhin gesagt, du würdest gern helfen. Was ich brauche, ist eine Beamtin oder ein Beamter mit einem Talent für Ausschußarbeit, und ich glaube, du wärst die richtige. Wie geht's dir im Umgang mit Asiaten? Ich könnte in dieser Sache wirklich Hilfe gebrauchen, allein schon, um mir meinen Chef vom Leib zu halten.«
Ehe Barbara in aller Eile den Schatz ihrer gesammelten Erfahrungen durchwühlen und eine Antwort hervorbringen konnte, fuhr Emily fort. Sie habe für den Verlauf der Ermittlungen regelmäßige Zusammentreffen mit Mitgliedern der pakistanischen Gemeinde zugesagt. Sie brauche jemanden, der sich um diese Gruppe kümmerte. Sie wolle Barbara die Aufgabe anvertrauen, wenn diese damit einverstanden sei.
»Du wirst es mit Muhannad Malik zu tun haben«, erklärte Emily, »und er wird versuchen, dir die Hölle heiß zu machen, es hängt also alles davon ab, daß du kühlen Kopf behältst. Aber es ist noch ein zweiter Pakistani dabei, ein Mann aus London namens Azhar oder so ähnlich, und der scheint mir fähig zu sein, Muhannad halbwegs im Zaum zu halten. Du wirst also von ihm eine gewisse Hilfe bekommen, ob ihm selbst das nun klar ist oder nicht.«
Barbara konnte sich vorstellen, wie Taymullah Azhar reagieren würde, wenn er bei der ersten Zusammenkunft zwischen den Pakistanis und den örtlichen Bullen ihr zerschundenes Gesicht sah. Sie sagte: »Ich weiß nicht recht. Ausschußarbeit ist eigentlich nicht gerade meine Stärke.«
»Unsinn.« Emily ließ ihre Einwände nicht gelten. »Du wirst
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