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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gummiband, das sie in einer Plastiktüte aufbewahrte. Das Gummiband - ungefähr zwölf Zentimeter breit und sechzig Zentimeter lang - warf sie auf den Küchentisch. Das Coca-Cola goß sie in ein Glas, gab zwei Stück Zucker dazu, wie sie das immer tat, und sah zu, wie das Getränk zu schäumen begann. Sie stellte das Glas auf den Tisch und schlüpfte aus ihren Schuhen. Sie zog den Reißverschluß ihres Kleides auf, legte es ab, stieg aus ihren Petticoats und setzte sich in ihrer Unterwäsche auf den Boden. Mit ihren zweiundvierzig Jahren hatte sie den Körper einer jungen Frau, und sie zeigte ihn gern, wenn auch nur die geringste Aussicht auf ein Kompliment - übertrieben oder nicht, Connie war da nicht wählerisch - bestand.
    Rachel tat ihre Pflicht. »Wahnsinn, was du für einen flachen Bauch hast.«
    Connie nahm das Gummiband, hakte es um ihre Füße und begann mit Übungen für die Bauchmuskulatur, wobei sie abwechselnd die gestreckten Beine und den Oberkörper mit Hilfe des Bandes, das durch die Kälte im Kühlschrank sehr steif geworden war, weit in die Höhe zog. »Nichts als Gymnastik, Rachel. Und richtige Ernährung. Und eine jugendliche Einstellung. Wie schauen meine Oberschenkel aus? Keine Orangenhaut, oder?« Sie hielt inne, um ein Bein in die Luft zu strecken, und strich mit den Händen von den Knöcheln bis zu ihren Strumpfbändern hinauf.
    »Total in Ordnung«, sagte Rachel. »Perfekt.«
    Connie machte ein zufriedenes Gesicht. Rachel setzte sich an den Tisch, während ihre Mutter mit ihren Übungen fortfuhr.
    Connie keuchte. »Ist diese Hitze nicht fürchterlich? Du kannst wohl auch nicht schlafen? Das wundert mich nicht. Mir ist sowieso schleierhaft, wie du überhaupt schlafen kannst, eingemummelt wie eine alte Oma. Schlaf doch nackt, Mädchen. Mach dich frei.«
    »Es liegt nicht an der Hitze«, sagte Rachel.
    »Nein? Woran dann? Ist es ein Kerl?« Sachte stöhnend, begann sie mit ihren Spreizübungen und tippte dabei mit den langen Fingernägeln auf den Linoleumboden, um die Wiederholungen zu zählen. »Du machst es doch nicht ohne Schutz, Rachel? Ich hab' dir gesagt, du mußt immer darauf bestehen, daß der Kerl einen Gummi nimmt. Wenn er das nicht will, dann schieb ihn ab. Als ich in deinem Alter war -«
    »Mama«, unterbrach Rachel sie. Dieses Gerede war doch der reinste Witz. Für wen hielt ihre Mutter sie eigentlich? Für einen Abklatsch ihrer selbst? Connie hatte, wenn man ihr glauben durfte, von ihrem vierzehnten Geburtstag an die Männer mit einem Cricketschläger abwehren müssen. Und nichts wäre ihr lieber gewesen, als eine Tochter zu haben, die mit dem gleichen »Dilemma« zu kämpfen hatte.
    »Connie«, korrigierte Connie sie.
    »Ja, ja. Hab' ich ja gemeint.«
    »Na sicher, Schätzchen.« Connie zwinkerte ihr zu, legte sich auf die Seite und begann, die Arme über dem Kopf ausgestreckt, mit seitlichen Spreizübungen der Beine. Wenn Rachel etwas an ihrer Mutter bewunderte, so war es die unbeirrbare Entschlossenheit, mit der sie ihr jeweiliges Ziel verfolgte. Welches Ziel das gerade war, spielte keine Rolle. Connie strebte es an wie eine junge Braut Christi: Sie wurde zur Verkörperung absoluter Hingabe. So viel zielgerichtete Konzentration war beim Turniertanz, bei der Gymnastik, selbst im Geschäft sicher gut; im Augenblick jedoch hätte Rachel darauf verzichten können. Sie brauchte jetzt die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Mutter. Sie raffte ihren Mut zusammen, um sie zu fordern.
    »Connie, kann ich dich mal was fragen? Was Persönliches? Über dein Innenleben?«
    »Mein Innenleben?« Connie zog eine Augenbraue hoch. Ein Schweißtropfen fiel aus den feinen Härchen herab. Er glitzerte im Licht der Küchenlampe. »Soll ich dich aufklären?« Keuchend und kichernd schwenkte sie ihr Bein auf und nieder. Ihr Dekollete wurde allmählich schweißfeucht. »Bißchen spät dafür, findest du nicht? Täusch' ich mich, oder hab' ich dich mehr als einmal abends mit irgendeinem Kerl unten bei den Strandhäusern rumschleichen sehen?«
    »Mama!«
    »Connie.«
    »Entschuldige, natürlich. Connie.«
    »Du hattest keine Ahnung, daß ich das weiß, was, Rachel? Wer war der Bursche eigentlich? Hat er dich schlecht behandelt?« Sie setzte sich auf, legte das Gummiband um ihre Schultern und begann es zum Training ihrer Arme nach vorn zu ziehen und wieder locker zu lassen. Der feuchte Fleck, den sie auf dem Linoleum hinterlassen hatte, hatte die Form einer etwas deformierten Birne.
    »Männer, Rachel: Bild

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