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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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dir bloß nicht ein, du könntest ihnen ins Hirn schauen oder sie irgendwie beeinflussen. Wenn ihr beide das gleiche wollt, dann ran an den Speck, hab ruhig deinen Spaß. Wenn nicht, vergiß die ganze Sache. Und sieh immer zu, daß es Spaß bleibt, Rachel; nichts als Spaß. Und schütz dich, damit du hinterher keine Überraschungen erlebst, mit Beinen oder ohne. Die Überraschungen, meine ich. So hab' ich's immer gehalten, und ich bin gut damit gefahren.« Sie sah Rachel aufmerksam an, als warte sie auf die nächste Frage oder ein verschämtes Bekenntnis, hervorgelockt durch ihre eigene Aufrichtigkeit von Frau zu Frau.
    »Diese Art Innenleben hab' ich nicht gemeint«, sagte Rachel. »Ich hab' das richtige Innenleben gemeint. Seele und Gewissen.«
    Connies Miene war nicht ermutigend. Sie wirkte nur verblüfft.
    »Wirst du jetzt etwa fromm?« fragte sie. »Hast du letzte Woche mit diesen Hare Krishnas geredet? Schau mich nicht so unschuldig an. Du weißt genau, wen ich meine. Die haben mit ihren Tamburinen da draußen bei der Princes-Mole rumgetanzt. Du bist doch bestimmt mit dem Fahrrad an ihnen vorbeigekommen.« Sie begann wieder mit ihren Armübungen.
    »Mit Religion hat es gar nichts zu tun. Es geht um Recht und Unrecht. Darüber wollt' ich mit dir reden.«
    Es handelte sich offensichtlich um etwas Ernsteres. Connie legte das Gummiband weg und stand auf. Sie trank einen großen Schluck Cola und griff nach einer Packung Dunhill, die in einem Plastikkorb in der Mitte des Tisches lag. Argwöhnisch sah sie ihre Tochter an, während sie sich eine Zigarette anzündete, inhalierte und den Rauch einen Moment in ihrer Lunge zurückhielt, ehe sie ihn in einem breiten Strom in Rachels Richtung ausstieß. »Was hast du angestellt, Rachel Lynn?« Mit einem Schlag war sie ganz Mutter.
    Rachel war froh über diese Veränderung. Einen Moment lang fühlte sie sich ermutigt wie in den Augenblicken ihrer Kindheit, wenn Connies mütterliche Instinkte sich gegen ihre Indifferenz den mütterlichen Pflichten gegenüber durchgesetzt hatten.
    »Nichts«, antwortete sie. »Es geht nicht um etwas, was ich getan habe. Jedenfalls nicht eigentlich.«
    »Worum geht es dann?«
    Rachel zögerte. Jetzt, da sie die Aufmerksamkeit ihrer Mutter hatte, fragte sie sich, wie ihr das helfen würde. Sie konnte ihr nicht alles sagen - sie konnte keinem Menschen alles sagen -, aber sie mußte mit irgend jemandem reden und wenigstens so viel verraten, daß ihr Gegenüber ihr einen Rat geben konnte. »Nimm mal an«, begann Rachel vorsichtig, »daß jemandem was Schlimmes zugestoßen ist.«
    »Okay.« Connie rauchte und machte ein nachdenkliches Gesicht, soweit das in einem schwarzen trägerlosen Büstenhalter, passendem Höschen und Spitzenstrapsgürtel möglich war.
    »Das, was passiert ist, ist wirklich sehr schlimm. Nimm an, du weißt etwas, was vielleicht mit erklären könnte, warum diese schlimme Geschichte überhaupt passiert ist.«
    »Erklären?« wiederholte Connie. »Warum ist da eine Erklärung nötig? Schlimme Dinge passieren doch dauernd.«
    »Aber das ist etwas wirklich Schlimmes. Das Schlimmste überhaupt.«
    Connie zog wieder an ihrer Zigarette und sah ihre Tochter forschend an. »Das Schlimmste überhaupt? Hm, was kann das sein? Daß einem das Haus abbrennt? Daß man aus Versehen das Los mit dem Hauptgewinn in den Müll geschmissen hat? Daß die Ehefrau mit Ringo Starr durchgebrannt ist?«
    »Es ist mir ernst«, sagte Rachel.
    Connie sah wohl die ängstliche Unruhe im Gesicht ihrer Tochter, denn sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu Rachel an den Tisch. »Okay«, sagte sie. »Jemandem ist also etwas Schlimmes zugestoßen. Und du weißt, warum. Ist das richtig so? Ja? Und was ist nun dieses Schlimme?«
    »Der Tod.«
    Connie blies die Backen auf. Sie schob sich die Zigarette in den Mund und tat einen tiefen Zug. »Der Tod, Rachel Lynn? Was redest du da?«
    »Es ist jemand gestorben. Und ich -«
    »Bist du da etwa in irgendeine unsaubere Geschichte verwickelt?«
    »Nein.«
    »Worum geht's dann?«
    »Mama, ich versuch' doch, es dir zu erklären. Ich meine, ich wollte dich -«
    »Ja?«
    »Ich wollte dich um Hilfe bitten. Um Rat. Ich wollte dich fragen, ob man, wenn man etwas über einen Todesfall weiß, unbedingt die ganze Wahrheit sagen sollte. Ob man, wenn das, was man weiß, vielleicht überhaupt nichts mit dem Todesfall zu tun hat, lieber den Mund halten sollte, wenn man danach gefragt wird, was man weiß. Ich meine, ich weiß, daß

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