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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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vielleicht.«
    »Von der Polizei?« Connie schaffte es, das Wort auszusprechen, fast ohne die Lippen zu bewegen. Unter dem fuchsienroten Rouge, das sie trug, war ihre Haut sehr blaß geworden, so daß die Schminke auf ihren Wangen sich tiefrot abhob, wie feuchte Rosenblätter. Sie sah Rachel nicht an, als sie sagte: »Wir sind Geschäftsfrauen, Rachel Lynn Winfield. Wir sind vor allem Geschäftsfrauen. Was wir haben - auch wenn es noch so wenig ist -, hängt vom Wohlwollen dieser Stadt ab. Und nicht nur vom Wohlwollen der Touristen, wohlgemerkt, die im Sommer hierherkommen, sondern vom Wohlwollen aller. Ist dir das klar?«
    »Natürlich. Das weiß ich.«
    »Wenn du also dafür bekannt wirst, daß du eine bist, die quatscht und jedem alles erzählt, was sie weiß, sind nur wir die Verlierer: du und ich. Dann meiden uns die Leute, sie kommen nicht mehr in den Laden. Sie machen ihre Einkäufe drüben in Clacton, und es macht ihnen gar nichts aus, weil sie lieber irgendwo einkaufen, wo sie sich gut aufgehoben fühlen, wo sie sagen können: ›Ich brauch' was Hübsches für eine ganz besondere Frau‹ und dazu zwinkern können und wissen, daß ihre Ehefrauen nichts davon erfahren. Hab' ich mich klar genug ausgedrückt, Rachel? Wir haben ein Geschäft. Und das Geschäft kommt an erster Stelle. Immer.«
    Nach dieser kurzen Rede griff sie wieder zu ihrem Colaglas, und als sie getrunken hatte, nahm sie sich von dem Papierstapel auf dem Tisch eine Frauenzeitschrift, schlug sie auf und begann das Inhaltsverzeichnis zu studieren. Das Gespräch war beendet.
    Rachel beobachtete sie, als sie mit langem rotem Fingernagel die Liste der Artikel durchging, die in der Zeitschrift enthalten waren. Sie sah zu, wie sie zu einem Beitrag mit dem Titel »Sieben Arten dahinterzukommen, ob er Sie betrügt« blätterte. Rachel fröstelte trotz der Hitze, so genau traf der Titel den Nagel auf den Kopf. Sie brauchte einen Aufsatz zu dem Thema, was man tut, wenn man es bereits weiß, aber sie hatte ja ihre Antwort. Nichts tun und abwarten. Was, wie ihr klar wurde, jeder tun sollte, wenn es um Verrat ging, ob geringfügig oder nicht. Auf sein Wissen hin zu handeln führte nur in die Katastrophe. Die letzten Tage in Balford-le-Nez hatten es Rachel Winfield eindeutig bewiesen.
    »Sie wissen noch nicht, wie lange Sie bleiben wollen?« Der Eigentümer des Burnt House Hotels sabberte fast vor Wonne und rieb sich die Hände, als knete er schon das Geld, das Barbara am Ende ihres Aufenthalts zurücklassen würde. Er hatte sich ihr als Basil Treves vorgestellt und hinzugefügt, er habe früher als Lieutenant beim Heer gedient - bei den »Streitkräften Ihrer Majestät«, wie er es formulierte -, als er ihrem Anmeldezettel entnommen hatte, daß sie bei New Scotland Yard angestellt war. Das machte sie in seinen Augen offenbar irgendwie zu Kollegen.
    Wahrscheinlich, vermutete Barbara, weil sie beide einmal Uniform getragen hatten, er in der Armee, sie bei der Polizei. Sie hatte seit Jahren keine Uniform mehr getragen, aber dieses kleine persönliche Detail unterschlug sie. Sie brauchte Basil Treves' Unterstützung, und alles, was ihn auf ihre Seite brachte und dort festhielt, war es wert, kultiviert zu werden. Außerdem war sie ihm dankbar für die Tatsache, daß er taktvollerweise keine Bemerkung über den Zustand ihres Gesichts gemacht hatte. Sie hatte die restlichen Pflaster im Wagen entfernt, nachdem sie sich von Emily getrennt hatte, doch die Haut war von den Augen bis zu den Lippen immer noch eine Symphonie in Gelb, Violett und Blau.
    Treves führte sie eine Treppe hinauf und dann durch einen düsteren Korridor. Nichts gab Barbara Anlaß zu der Hoffnung, das Burnt House Hotel sei ein Urlaubsparadies, das nur darauf wartete, sich ihr mit all seinen Wonnen zu erschließen. Es war ein Relikt aus längst vergangenen edwardianischen Sommern mit abgetretenen Teppichen, knarrenden Bodendielen und Wasserflecken an den Decken. Es war durchzogen von einer Stimmung vornehmen Verfalls.
    Treves jedoch schien dafür blind zu sein. Auf dem Weg zu Barbaras Zimmer schwatzte er unablässig und strich sich dabei immer wieder über sein dünnes, fettiges Haar, das von einem Scheitel direkt über seinem linken Ohr über die glänzende Rundung seines Schädels geklebt war. Sie würde im Burnt House jeden erdenklichen Komfort finden, erklärte er: Farbfernsehen mit Fernbedienung in jedem Zimmer und ein weiteres Fernsehgerät mit großem Bildschirm im Salon, sollte sie abends

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