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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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in Richtung Empfang, was, meinte Barbara, wohl heißen sollte, daß er mit dem Telefon in der Hand bereitstehen würde, um sofort den Notruf zu wählen, sollte Taymullah Azhar sich vergessen.
    »Danke«, sagte Barbara und begann zu essen. Sie würde erst einmal Azhar sprechen lassen. Mal sehen, wieviel er ihr über seine Geschäfte in Balford mitzuteilen bereit war. Sie wollte ihre Karten nicht auf den Tisch legen, solange sie überhaupt keine Ahnung hatte, was für ein Blatt er in der Hand hatte.
    Er hätte nicht lakonischer sein können. Soweit Barbara feststellen konnte, verheimlichte er ihr nichts: Der Ermordete war mit Azhars Cousine verlobt gewesen; Azhar war auf Bitten der Familie nach Balford gekommen; er hatte in ihrem Auftrag eine ähnliche Funktion übernommen wie Barbara im Auftrag der örtlichen Polizei.
    Barbara verriet ihm nicht, daß sie die Grenzen des ihr zugeteilten Aufgabenbereichs als Verbindungsbeamtin bereits überschritten hatte. Verbindungsbeamte kramten nicht in den Zimmern von Ermordeten herum und steckten alles ein, was sie interessierte. Sie sagte vielmehr: »Das trifft sich aber wirklich gut. Ich bin froh, daß Sie hier sind. Die Polizei braucht dringend ein klares Bild von Querashi. Da können Sie helfen, Azhar.«
    Sofort war er auf der Hut. »Ich diene den Interessen der Familie.«
    »Selbstverständlich. Aber Sie sind von dem Mord nicht direkt betroffen, Sie können daher objektiver sein als die Familie. Richtig?« Ehe er antworten konnte, sprach sie hastig weiter. »Gleichzeitig gehören Sie der Gruppe an, die Querashi am nächsten stand, und sind dadurch natürlich im Besitz von Insiderinformationen.«
    »Die Interessen der Familie stehen an erster Stelle, Barbara.«
    »Ich würde doch denken, daß es im Interesse der Familie ist«, sagte sie mit leiser Ironie, »herauszubekommen, wer Querashi getötet hat.«
    »Natürlich. Das ist ihr vordringlichstes Interesse.«
    »Freut mich, das zu hören.« Barbara strich Butter auf ein Toastdreieck und schob eine Ladung Spiegelei auf ihre Gabel. »Also, es läuft folgendermaßen: Wenn jemand ermordet wird, sucht die Polizei nach den Antworten auf drei Fragen: Wer hatte ein Motiv? Wer hatte die Mittel? Wer hatte die Gelegenheit? Sie können der Polizei helfen, diese Antworten zu finden.«
    »Indem ich meine Familie verrate, meinen Sie«, versetzte Azhar. »Also hat Muhannad doch recht. Die Polizei möchte den Schuldigen in der pakistanischen Gemeinde finden, nicht wahr? Und da Sie für die Polizei arbeiten, wollen auch Sie -«
    »Die Polizei«, unterbrach Barbara scharf und richtete ihr Messer auf ihn, um die Tatsache zu unterstreichen, daß sie nicht bereit war, sich mit Vorwürfen von Rassismus manipulieren zu lassen, »möchte der Wahrheit auf den Grund gehen, ganz gleich, wie sie aussieht. Sie würden Ihrer Familie einen Gefallen tun, wenn Sie ihr das klarmachen.« Sie kaute ihren Toast und beobachtete, wie er sie ansah. Unergründlich, dachte sie. Er hätte einen guten Bullen abgegeben. Mit einem Klumpen Toast in der Backentasche sagte sie: »Schauen Sie, Azhar, wir müssen begreifen, was Querashi für ein Mensch war. Wir müssen die Familie begreifen. Wir müssen die asiatische Gemeinde ganz allgemein begreifen. Wir werden jeden unter die Lupe nehmen, mit dem er Kontakt hatte, und einige dieser Personen werden Asiaten sein. Wenn Sie die Absicht haben, jedesmal einen dicken Hals zu kriegen, wenn wir pakistanisches Terrain betreten, führt das nirgendwohin. Und zwar schnell.«
    Er griff nach seiner Tasse - er trank Kaffee -, führte sie jedoch nicht zum Mund. »Aus dem, was Sie sagen, wird deutlich, daß die Polizei dies nicht als einen Zwischenfall mit rassistischem Hintergrund sehen möchte.«
    »Und Sie, mein Bester, ziehen voreilige Schlüsse. Was ein Vermittler lieber unterlassen sollte, meinen Sie nicht?«
    Er lächelte flüchtig, widerwillig, wie ihr schien. »Akzeptiert, Sergeant Havers.«
    »Gut. Dann einigen wir uns doch jetzt erst einmal auf eins: Wenn ich Ihnen eine Frage stelle, steckt nicht mehr dahinter als genau das, okay? Eine Frage. Sie bedeutet nicht, daß ich auf irgend etwas Bestimmtes hinauswill. Ich bemühe mich lediglich, das kulturelle Umfeld zu begreifen, damit ich die Gemeinde begreifen kann. Okay?«
    »Wie Sie meinen.«
    Barbara beschloß, dies als rückhaltlose Einwilligung seinerseits zu nehmen, alle Fakten, die er zur Hand hatte, offenzulegen. Es hatte keinen Sinn, ihn dazu zwingen zu wollen, einen

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