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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Barbara, nicht meine.« Es war offensichtlich, daß er ihre Verärgerung bemerkte. Es war ebenso offensichtlich, daß ihn das nicht aus der Ruhe brachte.
    »Sie wäre wahrscheinlich Engländerin gewesen, weil junge Asiatinnen ganz anders zu ihrer Unberührtheit stehen als junge Engländerinnen. Englische Mädchen sind leicht zu haben, und asiatische Männer, die sexuelle Erfahrung sammeln wollen, suchen sie bei ihnen, nicht bei asiatischen Frauen.«
    »Wie reizend von ihnen«, bemerkte Barbara bissig.
    Azhar zuckte die Achseln. »Das Verhältnis der Geschlechter zueinander wird von den Werten der Gemeinde bestimmt. Die Jungfräulichkeit der unverheirateten Frau ist ebenso Gebot wie die Schamhaftigkeit der verheirateten Frau. Ein junger Mann, der sich die Hörner abstoßen will, wird sich deshalb an die Engländerinnen halten, weil bekannt ist, daß englischen jungen Mädchen ihre Jungfräulichkeit nicht wichtig ist. Man kann sich also ruhig bedienen.«
    »Und wenn Querashi es nun mit einer jungen Engländerin zu tun hatte, die diese reizende Einstellung nicht teilte? Wenn er es mit einem Mädchen zu tun hatte, für das es sehr wohl etwas Bindendes hatte, mit einem Mann zu schlafen - ganz gleich, welcher Hautfarbe, welcher Rasse oder Religion?«
    »Sie sind zornig«, stellte Azhar fest. »Aber ich wollte Sie mit dieser Erklärung nicht beleidigen, Barbara. Wenn Sie Fragen über unsere Kultur stellen, werden Sie ganz sicher ab und zu Antworten bekommen, die zu Ihren eigenen Überzeugungen in Widerspruch stehen.«
    Barbara schob ihren Teller auf die Seite. »Und Sie würden gut daran tun, sich mal zu überlegen, daß meine Überzeugungen - wie Sie es ausdrücken - vielleicht die Überzeugungen meiner Kultur widerspiegeln. Wenn Querashi eine junge Engländerin geschwängert hat und sich dann als der große Tugendbold aufgespielt hat, der seine Pflicht Sahlah Malik gegenüber erfüllen muß, so etwa nach dem Motto: ›Nichts für ungut, aber für dich als Engländerin ist so eine Schwangerschaft doch eine Lappalie‹, was glauben Sie wohl, wie da ihr Vater oder Bruder reagiert hätte?«
    »Böse vielleicht«, sagte Azhar. »Ja, vielleicht sogar mit Mordgedanken. Meinen Sie nicht auch?«
    Es fiel Barbara nicht ein, ihm zu erlauben, dieses Gespräch einem Ende zuzuführen, das ihm in den Kram paßte - der Schuld eines Engländers. Er war schlagfertig, aber sie war hartnäckig.
    »Und angenommen, die Maliks haben das alles entdeckt: die Affäre, die Schwangerschaft. Angenommen, die Frau - wer immer sie auch sein mag - hat die Familie informiert, bevor sie mit Querashi gesprochen hat? Wären die guten Leute da nicht ein bißchen irritiert gewesen?«
    »Sie fragen, ob sie danach an Mord gedacht hätten«, stellte Azhar klar. »Aber die Ermordung des Bräutigams hätte doch wohl kaum der Erfüllung des Ehevertrags gedient.«
    »Ach, zum Teufel mit dem Ehevertrag!« Das Geschirr schepperte, als Barbara mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. Die Leute im Saal blickten zu ihnen herüber. Azhar hatte seine Zigaretten auf dem Tisch liegen lassen, und Barbara nahm sich eine und sagte ruhiger: »Kommen Sie, Azhar. Die Sache funktioniert doch in beide Richtungen, und das wissen Sie auch. Okay, wir reden hier von Pakistanis, aber das sind auch nur Menschen mit menschlichen Gefühlen.«
    »Sie möchten gern glauben, daß jemand aus Sahlahs Familie dieses Verbrechen verübt hat, vielleicht sogar Sahlah selbst oder jemand, der im Auftrag Sahlahs handelte.«
    »Ich höre, daß Muhannad ein rechter Hitzkopf ist.«
    »Aber daß man Haytham Querashi für sie auswählte, hatte mehrere Gründe, Barbara. Und der wichtigste Grund war, daß die Familie ihn brauchte. Die ganze Familie. Er hatte das Fachwissen, das sie sich für ihr Unternehmen wünschten: einen Abschluß in Wirtschaftswissenschaften von einer pakistanischen Universität und Erfahrung in der Leitung des Produktionsbereichs einer großen Firma. Es war eine Beziehung auf Gegenseitigkeit, die Maliks brauchten ihn, und er brauchte die Maliks. Und das hätte sicher keiner von beiden vergessen, ganz gleich, was Haytham mit den Kondomen in seiner Tasche vorhatte.«
    »Ach, und dieses Fachwissen hätte ihnen wohl ein Engländer nicht bieten können?«
    »Doch, natürlich. Aber es ist der Wunsch meines Onkels, seine Firma als Familienunternehmen zu führen. Muhannad hat bereits einen verantwortungsvollen Posten. Er kann nicht zwei wichtige Aufgaben zugleich übernehmen. Andere Söhne sind

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