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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Kooperationsvertrag mit seinem Blut zu unterzeichnen. Außerdem schien er ihre etwas großzügige Interpretation ihrer Rolle als Verbindungsbeamtin zu akzeptieren, und solange er das tat, wollte sie alles an Informationen aus ihm herausholen, was möglich war.
    Sie spießte ein Stück Ei und ein Stück Schinken auf. »Nehmen wir doch für den Augenblick mal an, daß dieses Verbrechen keinerlei rassistische Motive hat. Die meisten Mordopfer werden von jemandem getötet, den sie kennen, nehmen wir also an, daß das auch bei Querashi der Fall war. In Ordnung?«
    Azhar drehte seine Tasse hin und her. Er hatte noch immer nicht aus ihr getrunken. Sein Blick war unverwandt auf Barbara gerichtet. Er nickte leicht.
    »Er war noch nicht lange in England.«
    »Sechs Wochen«, sagte Azhar.
    »Und in dieser Zeit hat er in der Fabrik der Familie Malik gearbeitet.«
    »Richtig.«
    »Es ist also anzunehmen, daß die Mehrzahl seiner Bekannten hier in England - nicht alle, aber die Mehrzahl, okay? - Asiaten waren?«
    Sein Gesicht war düster. »Für den Moment können wir das annehmen, meinetwegen.«
    »Gut. Und seine Ehe wäre nach den Gepflogenheiten Ihres Volkes geschlossen worden, ist das richtig?«
    »Ja.«
    Barbara schnitt sich noch ein Stück Schinken ab und tauchte es in Eigelb. »Dann muß ich zunächst einmal eins wissen: Was passiert, wenn so ein Eheversprechen, das zwischen den Familien ausgehandelt wurde, gebrochen wird?«
    »Was meinen Sie mit ›gebrochen‹?«
    »Ich meine, was passiert, wenn einer der Beteiligten sich weigert, den Vertrag zu erfüllen, noch bevor die Ehe geschlossen ist?«
    Die Frage, dachte Barbara, war doch klar, und als er nicht sofort antwortete, blickte sie irritiert von ihrem Toast auf. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber es erschien ihr zu beherrscht. Zum Teufel mit diesem Mann. Er zog schon wieder voreilige Schlüsse, obwohl sie ihm gerade erst erklärt hatte, daß es hier einzig um Information ging.
    Ungeduldig sagte sie: »Azhar -«
    »Haben Sie etwas dagegen?« Er zog eine Packung Zigaretten heraus. »Darf ich? Da Sie noch essen ...?«
    »Rauchen Sie ruhig. Wenn ich gleichzeitig essen und rauchen könnte, würde ich's tun, glauben Sie mir.«
    Er zündete die Zigarette mit einem kleinen silbernen Feuerzeug an. Dann drehte er sich ein wenig auf seinem Stuhl und blickte zum Garten. Draußen auf dem Rasen warf Hadiyyah einen blauroten Ball in die Luft. Er schien zu überlegen, wie er ihre Frage am besten beantworten sollte, und Barbara, die ihn beobachtete, verspürte einen Anflug von Gereiztheit. Wenn jedes ihrer Gespräche ein vorsichtiger Tanz um das Fettnäpfchen der political correctness werden würde, würden sie Weihnachten noch in Balford sitzen.
    »Azhar, soll ich das umformulieren?« fragte sie ihn.
    Er wandte sich ihr wieder zu. »Haytham und Sahlah waren beide mit dem Vertrag einverstanden«, sagte er, während er seine Zigarette mit der Spitze im Aschenbecher hin und her rollte, obwohl sich noch gar keine Asche angesammelt hatte. »Wenn Haytham die Vereinbarung zurückgewiesen hätte, hätte er damit Sahlah zurückgewiesen. Das wäre als schwere Beleidigung ihrer Familie angesehen worden. Meiner Familie.«
    »Weil die Familie die Ehe vereinbart hatte?« Barbara schenkte sich eine Tasse Tee ein. Er war dickflüssig und so dunkel, als hätte er wie irgendein Höllengebräu eine ganze Woche lang vor sich hin geköchelt. Sie gab kräftig Zucker und Milch dazu.
    »Weil mein Onkel durch Haythams Absage das Gesicht und damit den Respekt der Gemeinde verloren hätte.
    Sahlah selbst wäre als verschmäht gebrandmarkt gewesen, was sie in den Augen anderer Männer herabgewürdigt hätte.«
    »Und Haytham? Was für Folgen hätte es für ihn gehabt?«
    »Mit dem Rücktritt von dem Ehevertrag hätte er sich seinem eigenen Vater widersetzt. Das hätte zur Folge haben können, daß ihn seine Familie verstößt, falls diese Ehe als eine wichtige Verbindung betrachtet worden wäre.« Der Rauch seiner Zigarette verschleierte Azhars Gesicht. Aber Barbara konnte sehen, daß er sie genau beobachtete, als er weitersprach. »Verstoßen zu werden heißt, keinerlei Kontakt mit der Familie mehr zu haben. Niemand kommuniziert mit dem Verstoßenen, weil alle Angst haben, selbst verstoßen zu werden. Auf der Straße wendet man sich ab. Die Türen des Hauses bleiben dem Verstoßenen verschlossen. Anrufe werden nicht erwidert. Alle Post wird ungeöffnet zurückgeschickt.«
    »Als wäre man tot?«
    »Ganz anders.

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