Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Schwanz geschossen, mit dem Ihr mich gezeugt habt, Ihr verfluchter Bastard.
    Unter Deck gab es weder Tag noch Nacht. Tyrion maß das Verstreichen der Zeit am Kommen und Gehen des Kabinenjungen, der ihm die Mahlzeiten brachte, die er nicht aß. Außerdem brachte der Junge stets Bürste und Eimer und machte sauber. »Ist das dornischer Wein?«, fragte Tyrion ihn einmal, als er den Korken aus dem Schlauch zog. »Er erinnert mich an eine gewisse Schlange, die ich einst kannte. Ein drolliger Kerl, bis ein Berg auf ihn fiel.«
    Der Kabinenjunge gab keine Antwort. Er war hässlich, wenn auch zugegebenermaßen hübscher anzuschauen als ein gewisser Zwerg mit halber Nase und einer Narbe vom Auge bis zum Kinn. »Habe ich dich beleidigt?«, fragte Tyrion, während der Junge schrubbte. »Hat man dir befohlen, nicht mit mir zu sprechen? Oder hat irgendein Zwerg deine Mutter betrogen?« Wieder bekam er keine Antwort. »Wohin segeln wir? Sag es mir.« Jaime hatte die Freien Städte erwähnt, aber keine genauen Angaben gemacht. »Nach Braavos? Tyrosh? Myr?« Tyrion wäre lieber nach Dorne gefahren. Myrcella ist älter als Tommen, nach dornischem Recht steht ihr der Eiserne Thron zu. Ich werde ihr helfen, ihren Anspruch durchzusetzen, so wie es Prinz Oberyn vorgeschlagen hat.
    Oberyn war jedoch tot, Ser Gregor Clegane hatte ihm mit der gepanzerten Faust den Schädel zu Brei geschlagen. Und würde Doran Martell ein solch gefährliches Spiel überhaupt wagen, ohne die Rote Viper, die ihn antrieb? Vielleicht legt er mich stattdessen in Ketten und liefert mich meiner süßen Schwester aus. Die Mauer wäre sicherer. Der Alte Bär Mormont hatte gesagt, die Nachtwache bräuchte Männer wie Tyrion. Wer weiß, vielleicht ist Mormont auch längst tot. Und inzwischen Slynt Lord Kommandant. Dieser Fleischersohn würde bestimmt nicht vergessen haben, wer ihn zur Mauer geschickt hatte. Und möchte ich wirklich für den Rest meines Lebens gepökeltes Rind und Haferbrei mit Mördern und Dieben teilen? Nicht dass dieser Rest sehr lange dauern würde. Dafür würde Janos Slynt schon sorgen.
    Der Kabinenjunge tauchte seine Bürste ins Wasser und schrubbte mannhaft weiter.
    »Hast du schon einmal die Freudenhäuser von Lys besucht?«, wollte der Zwerg wissen. »Gehen dort vielleicht die Huren hin?« Tyrion fiel das valyrische Wort für Hure nicht ein, und es war sowieso schon zu spät. Der Junge warf die Bürste in den Eimer und verließ die Kabine.
    Der Wein hat meinen Verstand umnebelt. Hochvalyrisch hatte er bereits auf dem Schoß seines Maesters gelernt, obwohl, was dort in den Neun Freien Städten gesprochen wurde … nun, es war im Grunde nicht mehr eine einzige Sprache, sondern hatte sich eher in neun Dialekte aufgespalten, die immer mehr zu eigenständigen Sprachen wurden. Tyrion sprach ein wenig Braavosi und ein paar Brocken Myrisch. In Tyrosh sollte er in der Lage sein, die Götter zu verfluchen, einen Mann einen Betrüger zu schimpfen und ein Bier zu bestellen, was er einem Söldner zu verdanken hatte, den er einst auf dem Stein gekannt hatte. Zumindest sprechen sie in Dorne die Gemeine Zunge. Wie das dornische Essen und das dornische Recht war auch die dornische Sprache mit den Aromen der Rhoyne gewürzt, aber man konnte sie verstehen. Dorne, ja, Dorne für mich. Er krabbelte in seine Koje und klammerte sich an diesen Gedanken wie ein Kind an seine Puppe.
    Tyrion Lannister hatte nie leicht einschlafen können. An Bord dieses Schiffes schlief er überhaupt nur sehr selten, und wenn, dann meist nur, wenn es ihm gelungen war, so viel zu trinken, dass er einfach für eine Weile ohnmächtig wurde. Wenigstens träumte er nicht. Für sein kurzes Leben hatte er längst genug geträumt. Und nur von Torheiten: Liebe, Gerechtigkeit, Freundschaft, Ruhm. Und davon, groß zu sein. Das alles konnte er niemals erreichen, wie Tyrion inzwischen eingesehen hatte. Aber er wusste nicht, wohin Huren gehen.
    » Wohin auch immer Huren gehen«, hatte sein Vater gesagt. Seine letzten Worte, und was für Worte! Die Armbrust surrte , Lord Tywin fiel auf seinen Sitz zurück, und Tyrion Lannister fand sich an Varys’ Seite watschelnd in der Dunkelheit. Er musste den ganzen Schacht wieder nach unten geklettert sein, zweihundertdreißig Sprossen bis zu dem Ort, wo die orangefarbene Glut im Maul eines eisernen Drachen glühte. An nichts davon konnte er sich erinnern. Nur an das Geräusch der Armbrust und an den Gestank, als sich die Gedärme seines Vaters entleerten. Noch

Weitere Kostenlose Bücher