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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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erreicht, als die Krücke unter dem Gewicht brach und die Beine unter seinem Körper einknickten.
    Wie lange er da lag und sein Blut den Schnee rötete, hätte Varamyr nicht sagen können. Der Schnee wird mich begraben. Das wäre ein friedlicher Tod. Warm, so heißt es, wird es einem am Ende, warm, und schläfrig fühlt man sich. Es wäre schön, sich wieder warm zu fühlen, obwohl es ihn mit Traurigkeit erfüllte, dass er das grüne Land wohl doch nicht sehen würde, das warme Land jenseits der Mauer, von dem Mance gesungen hatte. »Die Welt jenseits der Mauer ist nicht für unsereins bestimmt«, pflegte Haggon zu sagen. »Das Freie Volk fürchtet die Leibwechsler, doch es verehrt uns auch. Südlich der Mauer werden die Knienden uns jagen und abschlachten wie Schweine.«
    Du hast mich gewarnt, dachte Varamyr, aber du warst es auch, der mir Eastwatch gezeigt hat. Er war damals kaum älter als zehn gewesen. Haggon hatte ein Dutzend Bernsteinketten und einen mit Fellen vollgepackten Schlitten gegen sechs Schläuche Wein, einen Block Salz und einen Kupferkessel getauscht. Eastwatch war ein besserer Ort zum Handeln als Castle Black; dort landeten die Schiffe an, die beladen waren mit den Waren aus den sagenhaften Ländern jenseits des Meeres. Die Krähen kannten Haggon als Jäger und Freund der Nachtwache, und immer warteten sie gespannt auf die Neuigkeiten, die er vom Leben jenseits ihrer Mauer brachte. Manche wussten sogar, dass er ein Leibwechsler war, aber niemand verlor je auch nur ein Wort darüber. Dort in Eastwatch-by-the-Sea hatte der Junge zum ersten Mal vom warmen Süden geträumt.
    Varamyr fühlte, wie die Schneeflocken auf seiner Stirn schmolzen. Das ist nicht so schrecklich wie Verbrennen. Lasst mich einschlafen und nicht mehr aufwachen, lasst mich mein zweites Leben beginnen. Seine Wölfe waren jetzt in der Nähe. Er konnte sie spüren. Dieses schwache Fleisch würde er zurücklassen und zu einem von ihnen werden, durch die Nacht jagen und den Mond anheulen. Der Warg würde zu einem echten Wolf werden. Aber zu welchem?
    Nicht Listig. Haggon hätte es als Abscheulichkeit bezeichnet, doch Varamyr war häufig in sie hineingeschlüpft, wenn Einauge sie bestieg. Allerdings wollte er sein nächstes Leben nicht als Fähe führen, nicht, solange er eine andere Wahl hatte. Pirscher wäre besser geeignet, der junge Rüde … Einauge hingegen war größer und wilder, und es war immer Einauge, der Listig bestieg, wenn sie läufig war.
    »Es heißt, man vergisst«, hatte Haggon ihm wenige Wochen vor seinem eigenen Tod erzählt. »Wenn das Fleisch des Menschen stirbt, lebt sein Geist im Tier weiter, doch mit jedem Tag wird die Erinnerung schwächer, und das Tier wird immer weniger Warg und immer mehr Tier, bis nichts mehr von dem Menschen übrig ist und nur das Tier übrig bleibt.«
    Varamyr wusste, das dies stimmte. Als er den Adler übernahm, der Orell gehört hatte, spürte er den Zorn des anderen Leibwechslers über seine Gegenwart. Orell war von der abtrünnigen Krähe Jon Snow erschlagen worden, und sein Hass auf den, der ihn getötet hatte, war so stark, dass selbst Varamyr den jungen Tierling verabscheute. Was Schnee war, hatte er gleich in dem Augenblick erkannt, in dem er den großen weißen Schattenwolf still an seiner Seite laufen sah. Ein Leibwechsler konnte stets einen anderen spüren. Mance hätte mir den Schattenwolf zugestehen sollen. Der wäre sogar würdig, einem König als Leib für das zweite Leben zu dienen. Er hätte es tun können, daran hegte Varamyr keinen Zweifel. Die Gabe war stark in Snow, doch niemand hatte den jungen Mann unterwiesen, und er kämpfte gegen seine Natur an, die er eigentlich hätte auskosten sollen.
    Varamyr konnte die roten Augen des Wehrholzbaums sehen, die ihn aus dem weißen Stamm heraus anstarrten. Die Götter halten Gericht über mich. Ein Schauer durchlief ihn. Er hatte Böses getan, unsägliche Dinge. Er hatte gestohlen, getötet und vergewaltigt. Er hatte sich mit Menschenfleisch den Bauch vollgeschlagen und das Blut sterbender Männer aufgeleckt, wenn es heiß und rot aus ihren aufgerissenen Kehlen spritzte. Er war Feinden durch den Wald nachgepirscht und hatte sie überfallen, während sie schliefen, ihnen die Eingeweide aus dem Bauch gerissen und sie auf dem schlammigen Boden verteilt. Wie süß ihr Fleisch geschmeckt hat. » Das war das Tier, nicht ich«, flüsterte er heiser. »Das war die Gabe, die ihr mir geschenkt habt.«
    Die Götter ließen sich nicht zu

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