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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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größeren Nutzen einbringen würde als tot. »Er kennt Tormund Riesentod. Er hat gegen die Anderen gekämpft. Und er hatte das Horn von Joramun und hat es nicht geblasen. Er hat die Mauer nicht zum Einsturz gebracht, obwohl er es hätte tun können.«
    Seine Worte stießen auf taube Ohren. Stannis ließ sich nicht erweichen. Das Gesetz war eindeutig; ein Fahnenflüchtiger hatte sein Leben verwirkt.
    Unter der weinenden Mauer hob Lady Melisandre ihre hellen, weißen Hände. » Wir alle müssen eine Wahl treffen«, verkündete sie. »Mann oder Frau, jung oder alt, Lord oder Bauer, wir alle stehen vor der gleichen Wahl.« Ihre Stimme ließ Jon an Anis und Muskatnuss und Nelken denken. Sie stand neben dem König auf einem hölzernen Gerüst, das über der Grube errichtet worden war. »Wir wählen das Licht oder die Dunkelheit. Wir wählen das Gute oder das Böse. Wir wählen den wahren Gott oder den falschen.«
    Mance Rayders dickes graubraunes Haar wurde ihm beim Gehen ins Gesicht geweht. Er strich es sich mit den gefesselten Händen aus den Augen und lächelte. Aber als er den Käfig sah, verlor er den Mut. Die Männer der Königin hatten ihn aus den Bäumen des Verfluchten Waldes errichtet, aus Schösslingen und biegsamen Zweigen, aus Kiefernästen, die vom Saft klebten, und den knochenweißen Fingern der Wehrholzbäume. Sie hatten sie gebogen und miteinander zu einem Gitterwerk verwoben, das sie hoch über der Grube aufhingen, die mit Scheiten, Laub und Kleinholz gefüllt war.
    Der Wildlingskönig fuhr bei dem Anblick zurück. »Nein«, rief er, » Gnade! Das ist nicht richtig, ich bin nicht der König, sie …«
    Ser Godry zerrte am Seil. Der König-jenseits-der-Mauer hatte keine andere Wahl, als hinterherzustolpern, und die Schlinge erstickte alle weiteren Worte. Als er stürzte, schleifte Godry ihn den Rest des Wegs hinterher. Mance blutete, als die Männer ihn halb zu dem Käfig schoben und halb trugen. Ein Dutzend Mann war notwendig, um ihn in die Luft zu hieven.
    Lady Melisandre schaute zu, wie er in die Höhe stieg. » FREIES VOLK! Hier steht euer Lügenkönig. Und hier ist das Horn, mit dem er die Mauer niederreißen wollte.« Zwei Männer der Königin trugen Joramuns Horn herbei, ein schwarzes Ding in altes Gold gefasst, zweieinhalb Meter lang von einem Ende zum anderen. In die Goldbänder waren Runen graviert, die Schrift der Ersten Menschen. Joramun war vor Tausenden von Jahren gestorben, doch Mance hatte sein Grab unter einem Gletscher hoch oben in den Frostfangsn gefunden. Und Joramun stieß ins Horn des Winters und erweckte die Riesen aus der Erde. Ygritte hatte Jon erzählt, dass Mance das Horn nicht gefunden hatte. Sie hat gelogen, oder Mance hat es selbst vor seinen eigenen Leuten geheim gehalten.
    Tausend Gefangene schauten durch die Holzstangen ihres Pferches zu, wie das Horn in die Höhe gehoben wurde. Alle waren zerlumpt und halb verhungert. Wildlinge nannte man sie in den Sieben Königslanden; sie selbst hatten sich den Namen Freies Volk gegeben. Jetzt sahen sie weder wild noch frei aus; nur hungrig, ängstlich, betäubt.
    »Joramuns Horn?«, fragte Melisandre. »Nein, nennt es das Horn der Dunkelheit. Wenn die Mauer fällt, fällt auch die Dunkelheit über uns her, die Lange Nacht, die niemals endet. Das darf nicht geschehen, das wird nicht geschehen! Der Herr des Lichts hat seine Kinder in ihrer Not gesehen und hat ihnen einen Recken geschickt, den wiedergeborenen Azor Ahai.« Sie deutete auf Stannis, und in dem großen Rubin um ihren Hals pulsierte das Licht.
    Er ist Stein, und sie ist Flamme. Des Königs Augen waren blaue Flecken, tief eingesunken in das eingefallene Gesicht. Er trug einen grauen Panzer, einen fellgesäumten Mantel aus Goldtuch, der von seinen breiten Schultern wallte. Auf dem Brustpanzer war über seinem eigenen ein flammendes Herz emailliert. Seine Stirn umspannte eine rotgoldene Krone mit Zacken aus flackernden Flammen. Val stand neben ihm, groß und schön. Man hatte sie mit einem schlichten Reif aus dunkler Bronze gekrönt, und dennoch wirkte sie in Bronze königlicher als Stannis in Gold. Ihre Augen waren grau, furchtlos und unnachgiebig. Unter einem Hermelinmantel trug sie Weiß und Gold. Das honigblonde Haar hatte sie zu einem dicken Zopf geflochten, der von ihrer rechten Schulter bis zur Taille hing. Die kalte Luft hatte ihr die Wangen rot gefärbt.
    Lady Melisandre trug keine Krone, doch jeder Mann wusste, dass sie Stannis’ eigentliche Königin war, nicht die

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