09-Die Pfade des Schicksals
genannt werden darf, nichts Ernstliches anhaben; das würden sie selbst am besten wissen. Aber sie lenkten das Ungeheuer ab.
Und sie waren nicht allein.
Ein etwas schwächerer Kraftstrahl echote von den Höhlenwänden wider und brach sich an den Stalaktiten. Die Wegwahrer …! Sie waren nicht zahlreich genug, um es mit der rohen Gewalt der Urbösen aufnehmen zu können. Und sie hatten ihr Lehrenwissen ihrem Wyrd angepasst; hatten dabei einen anderen Weg eingeschlagen als ihre schwarzen Verwandten. Trotzdem führten sie einen machtvollen Schlag, und die durch Alter und Gewicht spröden Stalaktiten waren brüchig.
Mit ohrenbetäubendem Knirschen und Krachen fielen gigantische Steinsäulen wie Projektile in die Gesichter in der Kluft.
Jeder Fehler hätte die Stoffbänder des Eifrigen zerreißen, Linden und Jeremiah zerschmettern können. Aber die Wegwahrer wussten genau, was sie taten. Ihre Steinspeere fielen nur am jenseitigen Rand des Abgrunds.
Die mehrfache Rettungsaktion beanspruchte die Kräfte des Eifrigen aufs Äußerste. Linden wurde nur gefährlich langsam in die Höhe gezogen. Vor ihren Augen blühten immer wieder dunkle Flecken auf, die ein Echo des Krachens zu sein schienen, mit denen immer neue Stalaktiten abbrachen. Graubrand hielt sie an sich gepresst, sodass Linden kaum atmen konnte. Aber sie nahm den Druck der angespannten Muskeln der Riesin kaum wahr. Ihr Stab leuchtete nicht mehr, und sie hatte ihren Gesundheitssinn verloren. Das Übel hatte sich ihren Nerven eingeprägt. Von Dunkelheit und verzerrten Bildern umgeben, nahm sie fast nur noch das Kreischen der verlorenen Seelen wahr. Der Rand der Kluft, an dem ihre Gefährten kauerten oder standen, war noch endlos weit entfernt. Sie würde ihn nie erreichen.
Nun bekam der Insequente jedoch Hilfe. Grobfaust und Rahnock setzten Bhapa und Pahni ab. Von den anderen Schwertmainnir gehalten, packten die beiden Riesinnen zu und holten die Bänder des Eifrigen wie Trossen ein.
In blinder Wut reckte Sie, die nicht genannt werden darf, sich in die Höhe. Grobfaust, Rahnock und der Eifrige verdoppelten ihre Anstrengungen.
Wenige Augenblicke später konnten andere Riesinnen Graubrand und Kaltgischt packen. Spätgeborene, die sich darauf verließ, dass Mahrtür sich festklammern würde, packte die Ränder von Graubrands Brustpanzer und zerrte sie daran über den Rand der Kluft. Onyx Steinmangold trug Liand auf einem Arm, während sie der Eisenhand aus dem Abgrund half. Sobald das Gewicht der Riesinnen von dem Eifrigen genommen wurde, zog er rasch auch Stave herauf.
Obwohl Liand noch schwach war, entlockte er dem Orkrest ein Leuchten. Sein reinweißes Licht drängte die Wildheit des Übels zurück. Er unterstützte den Eifrigen und die Schwertmainnir mit Erdkraft.
Der Insequente rang keuchend nach Atem, als hätte er die Riesinnen auf den Schultern getragen. Eine gefährliche Blässe überzog sein Gesicht, und er schwankte, als hätte er weiche Knie. Im Widerschein der Kraft aus der Tiefe sahen die Schweißlinien, die sich über sein Gesicht zogen, wie Schnitte aus.
Linden brauchte einige Augenblicke, um zu merken, dass sie wieder atmen konnte. Bestimmt würden ihre Rippen später schmerzen; vorläufig waren sie nicht einmal zu spüren. Vor ihren Augen schienen schwarze Blüten zu explodieren. Sie, die nicht genannt werden darf, erfüllte die ganze Welt mit ihrem Gebrüll.
Esmer, der zwischen den Riesinnen stand, beobachtete sie verächtlich.
Irgendwo in Lindens Nähe verkündete Galt: »Man braucht nicht in Zungen reden zu können, um zu verstehen, dass die Dämondim-Abkömmlinge zur Flucht drängen. Die Wegwahrer laufen schon voraus, um uns zu führen. Wir müssen ihnen rasch folgen.«
Die Eisenhand hatte vielleicht »Aye!« gekeucht, aber Linden war sich ihrer Sache nicht sicher. Ein Natterngezücht aus Übelkeit und Angst schlängelte sich durch ihre Eingeweide. Als Graubrand sich jetzt mit ihr aufrichtete, vergrößerten die schwarzen Flecken in ihrem Blickfeld sich, bis sie alles verdeckten und die Welt verschwinden ließen.
Einige Minuten oder Stunden lang existierte Linden im Reich der Toten. Sie hatte zu viele qualvoll verzerrte Gesichter gesehen, die sie den Aasfressern auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert hatten. Für sie bestand das Übel aus kriechenden Wesen, die giftig und widerlich waren. Sie nagten sich aus ihrem verwesenden Körper ins Freie: Spinnen und Tausendfüßler, Maden und lange Würmer. Am liebsten hätte sie sich die Haut vom
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