09-Die Pfade des Schicksals
Schwertmainnir hart zugesetzt. Aber sie sind Riesinnen - gegen Hitze und Flammen abgehärtet - und werden ihre Brandwunden überleben. Zum Glück hat Mahrtür den Zweifler in Sicherheit gebracht. Er ist wieder einmal abwesend, aber unverletzt. Auch dein Sohn steht unversehrt da …« Linden spürte Staves Schulterzucken. »… wenn man von den vielen Grausamkeiten des Croyels absieht.
Sechs Stürze haben uns angegriffen, Linden. Trotzdem leben wir noch.«
Vielleicht hatte er sie trösten wollen. Aber sie war untröstlich. Sie kam sich in seinen Armen wie ein irreparabel beschädigtes menschliches Wrack vor.
Trotzdem kehrte ihr Gesundheitssinn in kleinen Schritten zurück. Als ihr Blick wieder klar wurde, sah sie, dass Stave die Wahrheit gesagt hatte.
Auf dem Grat über ihr ragten die Riesinnen vor dem Nachthimmel auf. Der Schmuckstein von Loriks Krill beleuchtete ihre Gestalten mit silbrigen Lichtstreifen, die wie Schnitte aussahen. Zirrus Gutwind hatte Mahrtür Covenant abgenommen. Linden erkannte vage, dass Covenant wieder in seinen chaotischen Erinnerungen gefangen war. Gutwind trug ihn auf einem Arm, als wollte sie ihn vor sich selbst schützen.
Frostherz Graubrand kam mit schwerem Schritt auf Linden und Stave zu, während Bhapa den Felshang heraufgeklettert kam. Gesicht und Arme der Riesin waren mit schmerzhaften Brandwunden bedeckt, und sie hatte eine weiter anschwellende Beule - darunter vermutlich eine Gehirnerschütterung - an der linken Schläfe. Am rechten Unterarm und der Hand hatte sie blutende Schürfwunden. Trotzdem war sie im Grunde genommen heil geblieben.
Das galt auch für Bhapa. Er hatte blutige Hautabschürfungen, aber diese Verletzungen waren oberflächlich. Zu einem anderen Zeitpunkt - vielleicht in einem anderen Leben - würde Linden sie behandeln können.
Beide, Graubrand und der Seilträger, studierten Linden, als wollten sie sich vergewissern, dass sie noch bei Verstand war. Dann rief Graubrand über eine Schulter hinweg der Eisenhand etwas zu, und Raureif Kaltgischt gab diese Mitteilung an ihre Gefährtinnen weiter. Linden Riesenfreundin ist weiterhin unter uns. Sie hat keine sichtbaren Verletzungen erlitten.
Auch Galt und Jeremiah waren unverletzt. Der Croyel versuchte nicht mehr, sich zu befreien. Der Junge stand schlaff und mit leerem Blick da, als hätte das Ungeheuer seine Marionettenschnüre losgelassen. Seine Schlafanzughose war von der Taille abwärts mit Blut und Gehirnmasse bedeckt.
Sturmvorbei Böen-Ende rappelte sich auf, wobei sie sorgsam darauf achtete, dass Anele den Erdboden nicht berührte. Der Alte hing ohnmächtig in ihren Armen, als hätte ihn jeglicher Wille, jegliches Bewusstsein verlassen. Aber er umklammerte weiter Liands Orkrest, als könnte der Sonnenstein ihm wiedergeben, was er verloren hatte. … die Hoffnung des Landes.
Linden spürte neuerliche Wehklagen, die aus ihr hervorbrechen wollten. Sie biss sich auf die Unterlippe; hielt sie gewaltsam zurück. Jeder Aufschrei, den sie sich jetzt gestattete, würde Elenas Kreischen sein - und Emereau Vrais und Diassomer Mininderains. Er würde den komprimierten Zorn und Ruin auf dem Galgenbühl ausdrücken.
In Jeremiahs Schatten kaum sichtbar hatte Pahni Liand in die Arme geschlossen. Sie kniete auf Gips und Schiefer und drückte ihren Geliebten an sich, während das letzte Blut aus seinem aufgeplatzten Kopf auf ihre Schulter sickerte. Sie wirkte so unbeweglich wie der Steinhausener, so wenig fähig wie er, Atem zu holen. Trotzdem ging von der jungen Seilträgerin Verzweiflung wie eine laute Totenklage aus. Ihr Schmerz drohte Linden das Herz zu zerreißen.
Böen-Ende trug Anele behutsam auf den Grat hinauf, wo Kaltgischt und Gutwind bei den anderen Schwertmainnir standen. Auf sanftes Drängen Graubrands zwang Linden sich dazu, Staves stützenden Arm abzuschütteln. Während Stave und Bhapa sich bereithielten, sie aufzufangen, falls sie stolperte, schleppte sie sich zu ihren Gefährten hinauf.
Zu ihren Freunden. Die Liand nicht weniger geliebt hatten als sie selbst.
Mahrtür hatte sich wie beschützend vor Gutwind und Covenant aufgebaut. Seine blinden Augen beobachteten Lindens Annäherung. In seiner Haltung erkannte sie die grimmige Wildheit eines Raubvogels.
Clyme und Branl standen wie sprungbereit links und rechts von Gutwind. Ihre Aufmerksamkeit galt jedoch nicht Linden, sondern Anele, und ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Die Lichtreflexe des Krill in ihren Augen wirkten bedrohlich. Sie hatten
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