09-Die Pfade des Schicksals
geheilten Zeit eingeatmet worden.
Trotzdem lauerten in der Nacht weitere kreischende Gefahren. Die Zäsur, die in Clymes Nähe entstanden war, rückte näher heran. Auch Joans ursprünglicher Angriff setzte seine unbeholfen ruckartigen Bewegungen fort.
Und Anele hatte sich auf Schotter und Geröll aufgerappelt: auf bröckelndem Gips und Sandstein, schiefrigen Platten und dem mürben Schutt von Erosion und längst vergessenen Kriegen.
Anele!
Er strahlte rohe Kraft aus, die so erschreckend wie die Zäsuren, aber viel bewusster war: voller Absichten und tobender Wut. Mit herrischen Gesten, die keinen Widerspruch duldeten, scheuchte er Riesinnen beiseite und räumte Hindernisse aus dem Weg. In seinen blinden Augen gloste ein rötlich gelber Lichtschein wie von Urweltschwefel: der Farbton der Reißzähne der Skurj.
Heulend rannte er gegen Liand an.
Kastenessen hatte von dem Alten Besitz ergriffen. Von Schmerzen gepeinigt war der Elohim gekommen, um den Croyel zu retten und Jeremiah zu entführen.
Linden konnte nicht schnell genug reagieren. Sie war zu sehr Mensch; zu erschrocken. Aber Stave war bereits losgespurtet, um Anele den Weg zu verstellen.
Vor langer Zeit hatte der ehemalige Meister im Kampf gegen eine Horde Dämondim ein Auge verloren. Trotzdem hatte er Anele damals niedergeschlagen und den Alten in Sicherheit gebracht. Jetzt zögerte er nicht, sich Kastenessens Sturmlauf in den Weg zu stellen.
Ein Kraftblitz schleuderte Stave wie eine Handvoll ausgebleichter Knochen zur Seite.
Liand, der im Herzen des reinen Lichts seines Orkrests stand, schien die Gefahr nicht zu bemerken. Ohne auf das ihn umgebende Dunkel zu achten, berührte er Jeremiahs Stirn mit dem Sonnenstein: Summe und Symbol seines Geburtsrechts als Steinhausener.
Galt sah die drohende Gefahr. Natürlich sah er sie. Sein ausdrucksloser Blick beobachtete Anele. Aber der Meister bewegte sich nicht, weil er uncharakteristisch zwischen widersprüchlichen Pflichten schwankte. Er hielt Loriks Krill umklammert. Und er war schnell. Er hätte Kastenessens Wut den Todesstoß versetzen können. Hätte Anele umbringen können. Weil er der ererbten Erdkraft des Alten ohnehin nicht traute, hätte er ihn bedenkenlos ermorden können.
Aber das konnte er nicht, ohne den Croyel freizulassen.
Sowie das Ungeheuer keine scharfe Klinge mehr an seinem Hals spürte, würde es sich zweifellos auf Kastenessens Seite schlagen. Es konnte Galt aufhalten oder vernichten, bevor der Gedemütigte Anele schaden konnte.
Vielleicht überlegte Galt, ob er Jeremiah und den Croyel töten sollte, bevor er sich gegen Kastenessen stellte. Vielleicht hatte er nicht genug Zeit, um alle Konsequenzen sorgfältig abzuwägen: Covenants Befehle gegen die Sache von Kevins Schmutz.
Wie Elena kreischend schleuderte Linden endlich schwarze Erdkraft gegen den Elohim. Aber sie kam zu spät. Anele schüttelte ihr Feuer wie Wasser ab, als er mit beiden Händen Liands Kopf umfasste.
Von Kastenessens Macht getrieben füllte der Alte den zerbrechlichen Schädel des Steinhauseners mit Lava.
Liands Kopf zerplatzte in einer Wolke aus Blut und Knochen und Gehirnmasse.
Nun warf Sturmvorbei Böen-Ende sich nach vorn. Sie rammte den Alten; schlang ihre Arme um die von Anele ausgehende feurige Lohe; stieß ihn an Liand und Jeremiah, Galt und dem Croyel vorbei. Sie ignorierte nicht nur die mörderische Hitze in ihrer Umarmung, den augenblicklichen Temperaturanstieg wie bei einem Hochofenanstich, sondern dachte irgendwie auch daran, sich beim Sturz auf den Rücken zu wälzen, sodass Anele keinen Kontakt mehr mit Erde hatte.
Im letzten Augenblick bevor Böen-Ende ihn rammte, gelang es Anele jedoch, den Orkrest aufzufangen, als er aus Liands leblosen Fingern fiel. Linden sah den Alten deutlich. Kastenessen wollte den Sonnenstein vernichten …
… bis die Riesin Anele vom Erdboden hochriss.
Als Böen-Ende vor Schmerzen knurrend in losgetretenem Geröll auf dem Rücken aufkam, verschwand Kastenessens Macht. Der Orkrest wurde dunkel. Obwohl der Schmuckstein des Krill weiter hungrig pulsierte und die Gier der Zäsuren weiter anschwoll, schien nächtliches Dunkel auf die Hügel herabzusinken, als wäre ein Sarkophagdeckel zugefallen.
Galt blieb starr stehen wie eine geschnitzte Statue in der Halle der Geschenke. Jeremiah stand als leere Hülse da, während der Croyel auf seinem Rücken keckerte und spuckte. Liand sank in einem Blutschwall auf die Knie; lehnte sich allmählich nach vorn, bis er wie
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