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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Lindens Gesundheitssinn ihn nicht mehr wahrnehmen.
    Auch er hatte Liand geliebt.
    Ohne Raureif Kaltgischts Blick zu erwidern, murmelte Linden: »Liand hat ein Hügelgrab verdient, wenn ihr bei eurem Vorhaben bleiben wollt.«
    Die Eisenhand nickte. »Gleich. Erst muss ich dich etwas fragen. Linden Riesenfreundin, deine Wahrnehmungsgabe übersteigt unsere. Vielleicht kannst du meine Frage beantworten.«
    Mehrere Riesinnen, die mit der Sichtung und Verpackung der Vorräte des Eifrigen fertig waren, versammelten sich um die beiden.
    »Wir haben gehört«, begann Raureif Kaltgischt, »dass Anele vernünftig wird, wenn er den Orkrest berührt. Aber jetzt hält er den Sonnenstein in der Hand - und wird nicht verwandelt…«
    »Ich weiß«, sagte Linden trübselig. »Das sehe ich auch.«
    »Dann habe ich eine Doppelfrage. Schützt der Orkrest ihn noch vor Besessenheit, wenn er die Kraft verloren hat, ihm die Vernunft zurückzugeben? Wozu hält Anele ihn weiter umklammert, wenn er das nicht mehr tut? In anderen Händen - vielleicht denen des Zeitenherrn oder deinen -, könnte er uns vermutlich mehr nützen.«
    Der Sonnenstein konnte Covenant zwingen, in der Gegenwart zu bleiben. In diesem Fall würde er ihn bestimmt zurückweisen.
    »Und wenn Anele sich nicht mehr im Orkrest wiederfindet«, fuhr Kaltgischt fort, »bist du dann nicht schuldlos an Liands Tod? Während sein Geist verwirrt bleibt, hätten die aus deiner Unaufmerksamkeit entstandenen Taten sich nicht ändern lassen.
    Beweist sein Zustand nicht, wie unklug es ist, Schuld auf sich zu nehmen? Gibt es dir nicht Grund, dich schuldlos zu fühlen?«
    Linden schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie wich Kaltgischts Blick weiter aus. »In diesem Zustand ist er sogar noch verwundbarer.« Allein mit Liands Leichnam hatte sie keine Vergebung gefunden. »Der Orkrest wirkt nicht auf ihn …« Sie musterte den Alten, um ihre Wahrnehmung bestätigt zu finden. »… weil er es nicht zulässt. Meistens löst er die in seinem Körper gespeicherte Erdkraft aus - oder Aneles Magie entlockt dem Sonnenstein Erdkraft. Dann ist er vernünftig. Aber jetzt …« Linden zuckte steif mit den Schultern. »Er hält sich irgendwie versteckt. Ich weiß nicht, wie er das schafft. Aber er scheint seine Verrücktheit zu brauchen.«
    Wie als Antwort darauf murmelte der Alte: »Anele fürchtet sich.«
    Seine Stimme machte Linden auf ihn aufmerksam. Sie bewegte sich langsam auf ihn zu. »Anele?«
    In der Wölbung von Böen-Endes Brustpanzer sitzend wiegte er den Kopf. Silberne Lichtblitze des Krill betonten das milchige Weiß seiner Augen. Mit einer Hand drückte er sich den Sonnenstein an den Magen, als wollte er unaufhörlichen Hunger besänftigen. Mit der anderen klopfte er rhythmisch auf die Steinplatte, ohne auf seine schmerzenden Fingerknöchel zu achten.
    »Er fürchtet sich davor, zu versagen - oder Erfolg zu haben.« Während er sprach, wiegte er sich im Takt zu seinem Klopfen. »Er trägt Fesseln aus Scham und Entsetzen. Mord. Vergeblichkeit. Irrtum. Größere Geister sprechen von Hoffnung. Sie begreifen nicht, dass er alt und schwach ist. Unfähig. Er muss und kann nicht. Muss. Kann nicht.«
    Indem er »Muss« und »Kann nicht« wie ein Mantra wiederholte, klopfte er weiter auf den Stein, ohne seine Zuhörer zu beachten.
    »Anele?«, fragte Linden nochmals sanft, als spräche sie mit einem Kind. »Anele?« Die Vorstellung, er wisse, was er Liand angetan hatte, war schmerzhaft. »Lass es einfach geschehen. Lass es geschehen. Ich weiß, dass es wehtut. Aber es hilft uns vielleicht, alles zu verstehen. Dann können wir uns besser um dich kümmern.«
    »Muss«, wiederholte der Alte wie ein Echo seiner selbst. Vielleicht hatte er sie gar nicht gehört. »Kann nicht.«
    Linden biss die Zähne zusammen; unterdrückte einen Fluch. Zumindest mit einigen von Aneles Gefühlen war sie gut genug vertraut, um sie als schmerzlich zu empfinden.
    »Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll«, gestand sie der Eisenhand bedrückt. »Ich sollte ihm vertrauen, denke ich. Seine Eltern waren meine Freunde. Und sie haben in seinen Träumen zu ihm gesprochen, bevor er erstmals nach Andelain gekommen ist.
    Vor langer Zeit hat er irgendwann beschlossen, verrückt zu sein - von blind ganz zu schweigen -, weil er nicht ertragen konnte, was mit ihm geschah, wie er sich selbst gesehen hat oder was er unter Umständen würde tun müssen. Aber er ist weiter der Sohn seiner Eltern. Ich muss glauben, dass er ihr gutes Herz geerbt

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