09 - Geheimagent Lennet und der verräterische Lippenstift
mehr an den Aufenthalt von Angela Klys erinnerte.
Das Frühstück verlief heiter und angeregt. Langsam begann sogar Nadja an ihre freie Zukunft zu glauben.
Als die Büros öffneten, rief Phil einen seiner Freunde an, der einen hohen Posten bei der Einwanderungsbehörde bekleidete, und erklärte ihm die Lage. Um halb zehn rief der Freund zurück:
»Es ist alles vorbereitet. Du kennst ja das Gesetz: Dein Schützling muß die Bitte um politisches Asyl in Gegenwart eines Vertreters ihres Landes vorbringen. Ich habe daraufhin Kontakt mit dem Ballett Stella aufgenommen, und dieser Kanar hat sich bereit erklärt, diese Rolle zu spielen! In Übereinstimmung mit seinem Konsul, den ich auch dazu eingeladen habe. Um allen Druck zu vermeiden, habe ich vorgeschlagen, daß das Zusammentreffen in einem ausländischen Konsulat stattfindet. Kanar hat nicht protestiert, und die immer liebenswürdigen Schweizer haben sich bereit erklärt, uns ihr Büro zur Verfügung zu stellen. Da du Polizeioffizier bist, dachte ich, du seist der richtige Mann, um Kanada zu vertreten. Ich habe das Treffen auf halb elf verabredet. In Ordnung?«
Phil schnitt eine Grimasse.
»Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du offiziell Kanada vertreten würdest. Ich bin nur dabei, um der jungen Frau Mut zu machen.«
»Wie du willst. Ich freue mich darauf, deinen Schützling kennenzulernen.«
Nadja Ratan schien das Treffen mit Kanar nicht übermäßig aufzuregen.
»Captain", sagte sie zu Phil, der ihr seine Stellung und seinen richtigen Namen mitgeteilt hatte, »langsam zweifle ich an der Allmacht der vier Asse. Mir scheint, daß die Bundespolizei von Kanada ihnen durchaus gewachsen ist.« Dann wandte sie sich an Lennet: »Sie gehören doch auch dem gleichen Dienst an?«
»Nur als Hilfstruppe auf Zeit, Mademoiselle.«
Jetzt konnte er die große Tänzerin leichten Herzens bewundern. Er war nicht im geringsten eifersüchtig auf Phil.
Und seit sie zu dritt waren, hatte er auch keine Hemmungen mehr.
Phil ging weg, um für Nadja ein Kleid zu besorgen, mit dem sie im schweizerischen Konsulat erscheinen konnte. Sie hatte ja nur ihr Ballettröckchen. Da er sich nicht für ein bestimmtes entscheiden konnte, kaufte er gleich drei und auch drei passende Handtaschen dazu. Nadja nahm sie mit Freude an. Verfolgt von den einen, angebetet von den anderen, lebte sie in einer sehr sonderbaren Stimmung. Stolz und Angst hielten sich die Waage.
Die drei Freunde stiegen in Phils Sportwagen und fuhren, als sei dies die natürlichste Sache der Welt, zum Schweizer Konsulat. Nur Lennet griff hin und wieder nach der Pistole, die Phil ihm gegeben hatte für den Fall, daß dem Gegner doch wieder irgend etwas einfiel.
Herr Lebon, Phils Freund in der Einwanderungsbehörde, empfing sie bereits am Tor. Ein gepflegter Mann von etwa fünfzig Jahren. Er floß vor Verehrung über, als er der Tänzerin vorgestellt wurde.
Ein Vizekonsul erschien.
»Meine Dame, meine Herren", sagte er, indem er.sich verneigte, »wir sind geschmeichelt, Ihnen in unserem Konsulat Gastfreundschaft anbieten zu können. Die Abordnung aus dem anderen Land ist bereits eingetroffen. Die Herren waren so freundlich, sich einer kleinen Leibesvisitation zu unterziehen, aus Sicherheitsgründen. Sie verstehen das sicher. Darf ich Sie bitten, sich ebenfalls dieser kleinen Prozedur zu unterziehen?«
Vergnügt ließ sich die Tänzerin von einer Sekretärin des Konsulats durchsuchen, während der Vizekonsul selbst seine Hände über Phils Taschen gleiten ließ. Lennet sah sich nach Nadjas Handtasche um, öffnete sie heimlich und ließ einen kleinen, blinkenden Gegenstand darin verschwinden. Dann stellte auch er sich der Durchsuchung und übergab mit einem kleinen entschuldigenden Lächeln seine Pistole. Das dicke Paket Fotos, das er in der Jackentasche trug, interessierte den Vizekonsul nicht.
Die Sekretärin ergriff die Handtasche der Tänzerin.
»Sie ist völlig leer", erklärte Nadja. Die Sekretärin öffnete sie.
»Wirklich. Nur ein Lippenstift", bestätigte sie. Nadja konnte ihre Verwunderung nicht verbergen, aber Lennet machte ihr verstohlen ein Zeichen zu schweigen. Sie nickte.
Dann wurden sie in einen Sitzungssaal geführt, mit einem langen Tisch, über dem ein grünes Tuch lag, und zwei Reihen von lederbezogenen Stühlen. Auf der einen Seite hatte bereits Kanar, begleitet von den beiden roten Assen, Platz genommen.
Auf die andere Seite setzten sich die Tänzerin, die beiden Kanadier und Lennet. Als alle
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