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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dieser Mensch nicht wie ein Landstreicher aus?“ fragte Pitt. „Ich bitte Euch, Mr. Shatterhand, mir einen großen Gefallen zu tun!“
    „Welchen?“
    „Ihr habt Nähzeug dort im Sattelkissen. Bitte, es mir zu borgen, denn ich muß ihm natürlich seine zerrissenen Siebensachen zusammenflicken!“
    „Gern; holt es Euch, Pitt Holbers!“
    Er folgte dieser Aufforderung. Dann konnte man sehen, wie einer einfädeln wollte und doch eine halbe Stunde lang das Ör nicht fand. Hernach machte der liebe Mensch Stiche! Stiche, so weit auseinander wie die Straßenbäume! Nach dem zweiten Einfädeln hatte er keinen Knoten gemacht und nähte und nähte, ohne vorwärts zu kommen, bis ich ihn darauf aufmerksam machte, daß er den Faden immer wieder herauszog. Später belehrte ich ihn noch darüber, daß diese Stelle zu wibbeln, eine andere mit Hinterstichen und eine dritte überwendig zu nähen sei. Da warf er den Zwirnknäuel zornig fort, schob mir das Bein des Dicken hin und rief, mir die Nadel, die er mir nur reichen wollte, in den Finger stechend:
    „Da habt Ihr Eure ganze Flickerei, Sir! Macht's selbst, wenn Ihr's besser könnt! Wibbeln! Hinterstiche! Hat man schon so was gehört! Was gibt es denn wohl noch für Stiche, Mr. Shatterhand?“
    „Kettenstiche, einfache und doppelte Steppstiche, Messer- und auch Säbelstiche.“
    „Die Messerstiche lasse ich mir gefallen; mit den andern aber könnt Ihr mir vom Leibe bleiben! Flickt den Kerl zusammen! Ich habe das Nähen satt!“
    Was war die Folge? Ich saß fast bis zum frühen Morgen da und besserte die Jacke, Hose und Weste des dicken Bärenbabyjägers aus! Dazwischen wurde Bärenbraten gegessen. Die Tatzen, bekanntlich das beste von dem Bären, wurden eingewickelt, um aufgehoben zu werden, denn sie haben erst dann den höchsten Grad von Delikatesse erreicht, wenn die Würmer darin zu ‚wibbeln‘ beginnen. Ob jedermanns Geschmack?
    Als der Tag graute, stiegen Winnetou und ich zu Pferd, um, den Rotschimmel Apanatschkas am Zügel führend, talaufwärts zu reiten und die Ankunft Old Surehands zu erwarten. Wir hatten wohl zwei englische Meilen zurückgelegt, als wir links den Talschnitt sahen, aus welchem er nach dem, was wir gestern erlauscht hatten, kommen mußte. Wir blieben in einer Entfernung davon bei einem Gesträuch halten, hinter welchem wir uns und die Pferde versteckten, doch so, daß er unsern Augen nicht entgehen konnte.
    Es lag ja die Möglichkeit nahe, daß sich oben bei den Utahs irgend etwas Unvorhergesehenes ereignet oder der Häuptling seinen Plan geändert hatte; darum waren wir überaus gespannt darauf, ob der Erwartete kommen werde oder nicht. Es verging eine Stunde und darüber; da sahen wir endlich einen Menschen drüben unter den Bäumen gehen. Er kam nicht heraus ins Freie, und so konnten wir nicht deutlich erkennen, wer es war. Ich wagte dennoch laut zu rufen:
    „Mr. Surehand! Mr. Surehand!“
    Der Mann blieb stehen, aber nur einen Augenblick. Wenn er es war, so kam er sicher schnell herbei. Als Gefangener der Indianer mußte er ja froh sein, andere Menschen hier zu finden, zumal sie ihn kannten. Diese Annahme täuschte mich nicht. Als ich seinen Namen noch einmal, zum drittenmal rief, kam er eiligst unter den Bäumen hervorgesprungen und auf uns zugeschritten. Da wir uns nicht sehen ließen, blieb er auf halbem Weg stehen und rief uns zu:
    „Wer ist da im Gebüsch? Wer hat meinen Namen genannt?“
    „Ein Freund“, antwortete ich.
    „Kommt heraus! Im wilden Westen muß man vorsichtig sein.“
    „Hier bin ich!“
    Bei diesen Worten ließ ich mich von ihm sehen; Winnetou aber blieb noch versteckt. Old Surehand erkannte mich sofort.
    „Old Shatterhand! Old Shatterhand!“
    Meinen Namen nennend, ließ er vor freudigem Schreck sein Gewehr fallen, kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zugerannt und zog, nein, riß mich förmlich an sein Herz.
    „Welch eine Wonne, welch eine Freude, welch ein Glück! Mein Freund, Old Shatterhand, mein Retter früher und mein Retter nun auch jetzt!“
    Bei jedem Wort schob er mich von sich ab und drückte mich wieder an sich. Seine Augen leuchteten; seine Wangen glühten. Er befand sich in dem Zustand allerglücklichster Aufregung und fuhr fort:
    „Wer sollte es für möglich halten, daß Ihr jetzt, grad jetzt in den Rocky Mountains seid, grad hier im ‚Bärental‘! Wie freue ich mich, wie glücklich bin ich darüber! Habt Ihr einen besondern Grund zu diesem Ritt?“
    „Ja.“
    „Welchen? Bitte, sagt es

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