09 - Old Surehand III
werden, wenn er in unsere Hände fällt!“
„Nichts ist leichter gesagt als das!“
„Nun?“
„Wir bezahlen ihn mit gleicher Münze. Er wird auch in einen Baum gespannt. Meiner Ansicht nach hat er das reichlich verdient.“
„Da gebe ich dir natürlich recht. Ich werde mit der größten Wonne helfen, für ihn einen Baumspalt herzurichten, in dem er noch viel besser singen soll, als Old Wabble, der arme Teufel, in dem seinigen gesungen hat. Er wird eingespannt; es bleibt dabei!“
Der Gerechtigkeitssinn der beiden Freunde hatte ganz dasselbe getroffen, was das alte Testament und was auch das Wüstengesetz der mohammedanischen Beduinen verlangt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut. Es gab, höchstens außer Hammerdull und Holbers, keinen einzigen unter uns, der nicht eine Rechnung mit diesem sogenannten ‚General‘ auszugleichen hätte. Schahko Matto wollte ihn wegen Mord und Betrug zur Rechenschaft ziehen; Treskow suchte ihn wegen anderer Verbrechen; von Winnetou und mir will ich nicht sprechen. Und Apanatschka und Kolma Putschi? Diesen beiden war er mehr, viel mehr als uns anderen allen zusammen schuldig. Denn daß er und sonst niemand der lang gesuchte Dan Etters war, darüber gab es bei mir nicht den geringsten Zweifel. Das Fehlen der oft erwähnten Zahnlücken konnte mich nicht irre machen, da es ja falsche Zähne gibt, die es überhaupt schon bei den alten Ägyptern gab. Daß niemand, selbst Old Surehand nicht, auf diesen Gedanken gekommen war, erschien mir geradezu als unbegreiflich. Dieser Etters war mir so sicher, daß ich schon jetzt daran dachte, welche Strafe man für ihn wohl in Vorschlag bringen müsse.
Später wurde ich zu Kolma Putschi gerufen, und ich kann sagen, daß während dieses Rittes soviel gesprochen und erzählt, soviel gefragt und geantwortet wurde, wie wohl selten auf einem andern. Darüber verging der Nachmittag, und es brach der Abend herein, ohne daß wir nur daran gedacht hatten, daß es so schnell dunkel werden könne. Wir hatten vor, jetzt noch nicht anzuhalten, denn der Mond stand am Himmel und mußte uns heut, ehe er unterging, eine gute halbe Stunde leuchten. Da konnten wir noch reiten.
Die Sonne war schon längst verschwunden, als wir in eins der sanft ausgeworfenen Täler einbogen, welche dem Park von San Louis die ihm eigentümliche Terrainbewegung geben. Da sahen wir eine Fährte von der Seite her kommen, welche die gleiche Richtung nahm. Die Untersuchung derselben zeigte, daß sie von drei Pferden stammte und höchstens eine Stunde alt sein konnte. Ich dachte sofort an den Medizinmann mit der Squaw und dem Packpferd. Winnetou hatte denselben Gedanken, wie ich aus dem Blick merkte, den er mir zuwarf. Es nahte wieder eine Szene!
Wir trieben unsere Pferde mehr an und ritten schweigend weiter. Winnetou hing, weit vornübergebeugt, im Sattel, um sich die Spuren nicht entgehen zu lassen, doch waren sie schon nach zehn Minuten nicht mehr zu sehen. Der Schein des Mondes begann zwar zu wirken, doch war er zu schwach, unsern Augen in Beziehung auf diese Fährte zu Hilfe zu kommen. Ich stieg also mit Winnetou ab. Wir ließen unsere Pferde führen und gingen voran, uns von Zeit zu Zeit tief zum Boden niederbückend, ob die Eindrücke noch vorhanden seien. So verging die Zeit, und der Mond wollte untergehen. War es da nicht besser, jetzt hier zu lagern und die Spur morgen früh wieder aufzunehmen?
Noch während wir uns mit dieser Frage beschäftigten, bemerkten wir einen Brandgeruch, den uns der leise Wind entgegenbrachte. Das Feuer, von dem er kam, mußte eben jetzt erst angezündet worden sein, sonst hätten wir ihn schon eher gespürt. Wir baten die Gefährten zu warten und gingen leise weiter. Es dauerte nicht lange, so gab es in der Talmulde rechts eine kleine, von Baumwipfeln überschattete Bucht, in welcher wir das Feuer brennen sahen. Wir legten uns auf die Erde und krochen näher, denn wir sahen drei Pferde und zwei an dem Feuer sitzende Personen, konnten aber nicht erkennen, wer sie waren. Als wir nahe genug gekommen waren, erkannten wir sie. Winnetou flüsterte:
„Uff! Der Medizinmann und seine Squaw!“
„Ja, sie sind es; ganz so, wie wir dachten“, stimmte ich bei.
„Nehmen wir ihn gefangen?“
„Wie mein Bruder will.“
„Wenn wir ihn ergreifen, haben wir ihn zu schleppen; lassen wir ihn aber noch laufen, so ist es möglich, daß er uns doch noch entgeht. Es ist also doch besser, wenn wir ihn festnehmen?“
„Ich stimme bei. Wollen wir erst
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