09 - Old Surehand III
wissen konnte, womit ich hinter dem Berg hielt, warf mir heimlich einen fragenden Blick zu, worauf ich die Aufforderung an ihn richtete:
„Mein Bruder lasse mich das Wichtige wissen, was er mir mitzuteilen hat!“
„Soll ich mit offenem Mund sprechen?“
Er meinte damit, ob er ohne alle Rücksicht auf das, was ich noch zu verschweigen hatte, reden könne.
„Ja“, nickte ich. „Hoffentlich ist es nichts Unangenehmes, was geschehen ist!“
Was ich erwartet hatte, das geschah: Old Wabble fiel schnell und in höhnischem Ton ein:
„Sehr unangenehm sogar, höchst unangenehm für Euch! Wenn Ihr etwa glaubt, uns noch immer sehr fest und sicher in den Händen zu haben, so irrt Ihr Euch gewaltig!“
„Pshaw!“ lachte ich. „Die Karten stehen für uns ja noch besser als vorher!“
„Wieso?“
„Wir haben heut einen Gefangenen mehr als gestern!“
„Und Ihr meint, das sei vorteilhaft für euch? Laßt Euch doch von Winnetou sagen, wie die Sachen stehen!“
Der Apache überwand in diesem Fall einmal seinen Stolz, indem er in wegwerfendem Ton sagte:
„Der alte Cowboy hat ein Gift auf seiner Zunge; ich will ihn nicht hindern, es über uns auszuspritzen.“
„Ja, es ist ein Gift, und zwar ein solches, an dem ihr alle zugrunde gehen werdet, wenn ihr uns nicht sofort die Freiheit gebt; th'is clear!“
„Unnütze Redensart, um uns bange zu machen!“ lachte ich.
„Lacht immerhin! Das Lachen wird euch gleich vergehen, wenn ihr hört, was während eurer glorreichen Abwesenheit geschehen ist.“ Er deutete auf den neugefangenen Roten und fuhr fort: „Den Kriegern der Osagen dauerte die Rückkehr ihres Häuptlings zu lange; darum sandten sie diesen Mann zu ihm, um den Grund seines langen Bleibens zu erfahren. Er kam nach dem Wäldchen, wo ihr uns überfallen habt; wir waren fort; er folgte aber unserer Spur und entdeckte unsern gestrigen Lagerplatz. Merkt Ihr noch nichts?“
„Ich merke nur, daß er dabei ergriffen wurde.“
„Schön! Aber etwas wißt Ihr nicht, nämlich daß er nicht allein gewesen ist. Es war ein zweiter Osage bei ihm, welcher klüger und vorsichtiger war als er. Dieser entkam und ist nun zurückgeeilt, um einige hundert Verfolger zu holen, die Euch sicher jetzt schon auf den Fersen sind. Ich gebe Euch den Rat, uns augenblicklich freizulassen; das ist das beste, was Ihr tun könnt; denn wenn diese Menge von Osagen kommt und uns noch in euern Händen findet, so werden sie keine Schonung üben, sondern euch auslöschen, wie der Sturm schwache Zündhölzer auszublasen pflegt!“
„Ist das alles, was Ihr mir zu sagen habt?“ fragte ich.
„Einstweilen ja; aber wenn Ihr so albern seid, meinen guten Rat nicht zu beachten, so kommt noch mehr!“
„Dann doch lieber gleich heraus mit diesem Mehr!“
„Nein. Erst will ich sehen, ob Old Shatterhand wenigstens einmal nur den hundertsten Teil der großen Klugheit besitzt, die man ihm irrtümlicherweise zuzuschreiben pflegt.“
„Soviel ist gar nicht notwendig, denn schon der zehntausendste Teil reicht für mich vollständig zu, Eure Drohung zu verlachen. Auch angenommen, daß alles ganz genau so ist, wie Ihr sagt, so befindet Ihr Euch noch in unserer Gewalt, und Eure Osagen sind noch nicht da. Was hindert uns, euch auszulöschen, so wie der Wind Zündhölzer ausbläst?“
„Pshaw! Das tut Ihr nicht, denn Ihr seid ein viel zu guter und viel zu liebevoller Christ dazu und sagt Euch ganz gewiß, daß die Osagen unsern Tod blutig rächen würden.“
„Diese paar Leute? Was sind die gegen Winnetou, von mir gar nicht zu reden!“
„Ja, Eure Einbildung ist groß genug; das weiß man schon! Aber ich ahne, was Euch solchen Mut einflößt!“
„Nun, was?“
„Ihr seid auch, wie Winnetou, auf Fenners Farm gewesen und habt dort um Hilfe gebeten. Wahrscheinlich sind nun einige arme Cowboys unterwegs, mit denen Ihr uns schrecken wollt.“
„Pshaw! Wenn Ihr einigermaßen rechnen könntet, so müßtet Ihr wissen, daß ich von Fenners Farm jetzt noch nicht wieder hier sein könnte. Ich war an einem ganz, ganz anderen Ort und habe Euch zum Beweis, mit welcher Liebe ich dort an Euch dachte, jemand mitgebracht.“
„Möchte wissen, wer das ist. Laßt ihn doch sehen!“
„Sofort! Diese Freude kann ich Euch und Schahko Matto schon gern machen.“
Ich sagte Dick Hammerdull einige Worte in das Ohr. Er nickte lachend, stand auf und entfernte sich. Alle, selbst Winnetou, obgleich sich dieser gar nichts merken ließ, waren gespannt darauf, wen der
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