09 - Old Surehand III
fliehen wird er, ausreißen!“
Da schlug Cox ein lautes Gelächter auf und rief:
„Ausreißen, uns ausreißen! Habt ihr es gehört, ihr Leute, ein Mann, der unser Gefangener ist, soll uns entfliehen, soll ausreißen können!“
Sie stimmten alle in sein Lachen ein; Old Wabble aber schrie zornig:
„Wie dumm ihr seid, die ihr mich dumm genannt habt, das ist doch kaum zu sagen! Wenn ihr euch einbildet, diesen Kerl festhalten zu können, so könnt ihr mir unendlich leid tun! Der zersprengt mit seinen Fäusten eiserne Ketten, und wenn er mit Gewalt nichts ausrichtet, so legt er sich auf die List, in welcher er der größte Meister ist.“
„Eiserne Ketten haben wir nicht und brauchen wir nicht; lederne Riemen sind besser, viel besser! Und List! Ich möchte den Menschen sehen, der zwanzig solchen Männern, wie wir sind, durch List entkommt! Und wenn er es noch so pfiffig anfängt, vierzig Augen bewachen ihn; was da das eine nicht sieht, das sieht das andere. Der listigste Anschlag, den er versuchen könnte, würde von uns entdeckt werden.“
„Es ist wirklich lächerlich, großartig lächerlich, was manche Menschen sich einbilden! Habt Ihr denn nicht gehört, wie oft er bei den Indianern gefangen war und ihnen wieder und immer wieder entkommen ist?“
„Wir sind keine Indianer!“
„Aber Weißen ist es ebenso ergangen! Ich sage euch, dieser Schurke macht alles, alles möglich, was allen andern Menschen unmöglich wäre! Der ist nicht zu halten. Den muß man erschießen, gleich nachdem man ihn ergriffen hat. Wenn man das nicht tut, läuft er einem wie Wasser aus den Händen! Ich kenne das, denn ich bin lange Zeit mit ihm geritten!“
„Ihr macht aus der Mücke einen Elefanten. Ich wiederhole es noch einmal: Ich möchte den Menschen sehen, der mir entflieht, wenn ich ihn festhalten will! Es bleibt dabei; er führt uns nach der Bonanza!“
„Und ich gebe das nicht zu!“
Sie standen sich wie kampfgerüstet gegenüber, Old Wabble, der Spötter, der Leugner, der Lästerer, und Cox, der gewalttätige Anführer der Tramps, der sich ohne Skrupel hatte dingen lassen, mich zu fangen und dem Mörder zu übergeben. Es war ein interessanter, ein hochinteressanter Augenblick, so interessant, daß ich vergaß, daß es mein Leben war, um welches sie sich stritten. Es kam aber nicht zu Tätlichkeiten. Cox legte dem alten Wabble die Hand auf die Achsel und sagte in drohendem Ton:
„Glaubt Ihr denn wirklich, daß ich danach frage, ob Ihr es zugeben werdet?“
„Ich hoffe es!“
„Pshaw! In dieser Beziehung habt Ihr leider gar nichts zu hoffen!“
„So wollt Ihr mich um Old Shatterhand betrügen, wollt wortbrüchig werden?“
„Nein. Wir halten Wort.“
„Es hat aber jetzt ganz anders geklungen!“
„Aber auch nur geklungen. Wir haben Euch versprochen, Old Shatterhand zu fangen und ihn Euch auszuliefern. Gefangen haben wir ihn, und Ihr könnt versichert sein, daß wir ihn Euch auch übergeben werden, aber nur nicht heut!“
„Hole Euch der Teufel mit diesem Eurem Versprechen! Ihr werdet es doch nicht halten können; das habe ich gesagt und sage es immer wieder!“
„Wir halten es. Und wenn Ihr es etwa verhindern wolltet, daß wir ihn mitnehmen, so schaut Euch hier im Kreis um! Wir sind zwanzig Mann!“
„Ja, darauf fußt Ihr freilich!“ schrie er ergrimmt.
„Ihr seht also, daß Ihr Euch fügen müßt. Es ist ja nur für kurze Zeit!“
„Für kurze Zeit? Für immer wird es sein! Ich sage ja, daß er entfliehen wird! Es ist am besten, ich frage gar nicht viel, sondern schieße ihm eine Kugel in den Kopf. Da hat aller Streit ein Ende!“
„Das wagt ja nicht, Mr. Wabble! Wenn Ihr Old Shatterhand erschießt oder ihn nur im geringsten verletzt, so ist Euch im nächsten Augenblick eine Kugel von mir sicher. Das mögt Ihr Euch wohl merken!“
„Ihr wagt es, mir zu drohen?“
„Wagen? Dabei ist gar nichts gewagt! Wir sind mit Euch gezogen und wollen gute Kameradschaft mit Euch halten. Aber es handelt sich um eine Bonanza, welche wahrscheinlich Millionen wert ist. Da frage ich den Teufel nach Eurem Leben, wenn Ihr uns um diese Masse von Gold bringt! Also, daß Ihr es wißt: Old Shatterhand reitet mit uns, und wenn Ihr ihn auch nur so wenig verletzen solltet, daß ein Ritz in seiner Haut entsteht, lauft Ihr die Himmelsleiter hinan, auf die Ihr ihn stellen wolltet!“
„Ihr droht mir mit dem Tod! Ist das die Kameradschaft, von der Ihr redet?“
„Ja, das ist sie! Oder ist es kameradschaftlich von
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