09 - Old Surehand III
anzusengen. Ein allgemeines Gelächter erscholl. Darüber ergrimmt, richtete Old Wabble seinen Zorn nicht gegen Hammerdull, sondern gegen die Tramps, die sich über ihn lustig machten. Während er eine geharnischte Strafpredigt gegen sie losdonnerte, wendete sich der Dicke an Pitt Holbers:
„War das nicht fein gemacht? Hast du nicht deine Freude drüber, alter Pit?“
„Hm, wenn du denkst, daß es ein guter Coup war, so hast du recht!“ antwortete sein langer Freund in seiner wohlbekannten, trockenen Weise.
„Glaubt dieser Mensch, mir einen Fußtritt versetzen zu können, ohne daß ich mich wehre! Was sagst du dazu?“
„Ich hätte ihn auch ins Feuer geworfen, grad wie du!“
„Ob ins Feuer oder nicht, das bleibt sich gleich, das ist übrigens ganz egal, denn hineingeflogen ist er doch; das hast du ja gesehen!“
Nun erst kam Old Wabble herbei, um sich an dem Dicken zu rächen. Cox aber hielt ihn davon ab, indem er sagte:
„Laßt die Leute in Ruhe, so wird Euch so etwas nicht wieder geschehen! Old Shatterhand gehört Euch; die andern aber sind unser, und ich will nicht, daß sie unnütz malträtiert werden.“
„Ihr seid doch plötzlich recht human geworden!“ knurrte der Alte.
„Nennt es, wie Ihr wollt. Diese Männer müssen mit uns reiten, und ich kann mich nicht mit verletzten und zerstoßenen Menschen schleppen. Wir haben übrigens mehr zu tun, als uns hier mit ihnen herumzuzanken. Wir wissen ja noch gar nicht, wo sie ihre Pferde haben. Sucht nach ihnen!“
Die Pferde waren aus der Umwallung in das Freie gebracht und dort angepflockt worden; sie wurden bald gefunden. Die Tramps hatten schon, während ich in der Betäubung lag, gegessen und wollten nun noch bis zum Morgen schlafen. Cox bestimmte zwei Männer zum Wachen, und dann legte man sich nieder. Old Wabble hatte den mir höchst unangenehmen Gedanken, sich zwischen mich und Winnetou hineinzuschieben und meinen Arm mit dem seinigen durch einen Extrariemen zu verbinden. Diese große Vorsicht des Alten war sehr geeignet, keinen Gedanken an Flucht in mir aufkommen zu lassen.
Und doch dachte ich an Flucht, und wie sehr!
Es gibt keine Lage, die so schlimm ist und den Menschen so fest umfängt, daß er nicht aus ihr befreit werden könnte, durch eigene Kraft oder, wo das nicht möglich ist, durch fremde Hilfe. Auch jetzt verzweifelte ich keineswegs. War doch schon der augenblickliche Tod, den Old Wabble für mich bestimmt hatte, an mir vorübergegangen! Bis zum Squirrel-Creek hatten wir einen weiten Ritt; warum sollte sich uns bis dorthin nicht eine Gelegenheit zum Entkommen bieten. Übrigens richtete ich meinen Blick gar nicht so weit hinaus, sondern vielmehr ganz in die Nähe. Ich hegte eine Hoffnung, eine Hoffnung, deren Name ein indianischer war, nämlich der Name Kolma Putschi.
Wenn man mich fragt, warum dieser Name seit der Zeit, in welcher wir uns schlafen legten, nicht wieder genannt worden ist, so muß ich antworten: Dies hatte seinen Grund, und dieser Grund bestand in dem Umstand, daß Kolma Putschi nicht mehr da war. Als ich aus der Ohnmacht erwachte, war es natürlich mein erstes gewesen, mich umzusehen, und da hatte ich sogleich bemerkt, daß der rätselhafte Indianer nicht mehr anwesend war.
Wo befand er sich? Wo war er hin?
Zunächst wollte ein böser Verdacht in mir aufsteigen: Stand er vielleicht mit den Tramps in Verbindung? Dieses Mißtrauen mußte ich aber gleich wieder zurückweisen. Der Ruf, in welchem Kolma Putschi stand, ließ es als ganz unmöglich erscheinen, daß er sich mit derartigen Menschen in Beziehung setzte.
Da gab es eine zweite Frage: Hatte er die Tramps kommen hören und sich bei ihrer Annäherung schnell aus dem Staub gemacht? Auch das konnte ich ihm nicht zutrauen. Welchen Grund hätte er in diesem Fall haben können, uns nicht zu wecken und zu warnen? Nein, seine Entfernung mußte eine andre Ursache haben.
Er war von Dick Hammerdull gefragt worden, ob er mit uns reiten wolle, und hatte geantwortet, daß er sich dies erst überlegen werde. Er hatte sein Pferd nicht hier, sondern irgendwo anders stehen und sich, als wir eingeschlafen waren, heimlich entfernt, um entweder es zu holen oder überhaupt nicht wiederzukommen. Im letzteren Fall war seine Entfernung deshalb ohne Abschied geschehen, um allen zudringlichen Fragen und Erkundigungen aus dem Weg zu gehen; er hatte ja in der kurzen Zeit unsers Beisammenseins wiederholt gezeigt, daß dergleichen Forschungen ihm unangenehm seien.
In dem Fall, daß er
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