09 - Old Surehand III
fortgegangen war, um nicht wiederzukommen, hatten wir nichts von ihm zu erwarten; hatte er aber nur sein Pferd holen wollen, so war dies grad kurz vor der Zeit des Überfalles geschehen, und er hatte bei seiner Rückkehr infolge des Lärmes, den die Tramps machten, sich gleich denken müssen, daß etwas vorgekommen sein müsse, was ihn zur Vorsicht mahnte. Dann hatte er sich höchstwahrscheinlich herbeigeschlichen, die Veränderung der Szene entdeckt und alles, was geschah und gesprochen wurde, belauscht. War er nun der Mann, für den ich ihn infolge seines Rufes hielt, so mußte er da unbedingt den Entschluß gefaßt haben, sich unser anzunehmen, und zwar dies um so mehr, als er nicht nur große Freude über seine Begegnung mit Winnetou, sondern auch ein noch viel regeres, wenn auch geheimnisvolles Interesse für Apanatschka gezeigt hatte. Personen, für welche man eine solche Teilnahme empfindet, läßt man nicht in einer Lage stecken, wie die unserige war; das versteht sich ganz von selbst.
Wenn diese meine Kombination die richtige war, steckte Kolma Putschi jetzt hier in der Nähe, und ich konnte, sobald die Tramps eingeschlafen waren, irgendein Zeichen von ihm erwarten; es läßt sich also denken, daß ich mich in einer ziemlichen Spannung befand. Übrigens stand bei mir vollständig fest, daß Winnetou, dessen Scharfsinn ja unvergleichlich war, genau dieselben Gedanken hegte und ebenso auf Kolma Putschi wartete wie ich.
Es widerfuhr mir die Freude, daß diese Erwartungen nicht getäuscht wurden. Die beiden Wächter saßen diesseits und jenseits des Feuers, welches sie unterhielten; der jenseitige legte sich später um; er mochte müde sein; der diesseitige kehrte mir den Rücken zu und deckte, da unsere drei Plätze in einer geraden Linie lagen, mich vor den Augen des andern. Das war ein günstiger Umstand, von dem ich hoffte, daß der Indianer ihn eintretenden Falles ausnutzen werde. Es strich jetzt ein Wind durch das Tal, welcher die Büsche und Bäume bewegte, daß sie rauschten. Dieses Rascheln mußte das Geräusch, welches ein heimlich herankriechender Mensch vielleicht verursachte, unhörbar machen.
Zuweilen den Kopf hebend, beobachtete ich den Kreis der Schläfer und war nach einer halben Stunde überzeugt, daß außer den Wächtern, Winnetou und mir kein Mensch mehr munter war. Ich muß erwähnen, daß mir zur Rechten Hammerdull und zur Linken der alte Wabble lag; dann kam Winnetou und neben diesem Pitt Holbers, auf welchen mehrere Tramps folgten.
Grad, als ich dachte: Jetzt wäre die beste Zeit, daß er käme, wenn er überhaupt kommen kann und will, bemerkte ich rechts hinter mir eine leise Bewegung, und es schob sich ein Kopf zu dem meinigen heran; es war der Erwartete.
„Old Shatterhand mag sich ja nicht bewegen!“ flüsterte er mir zu. „Hat mein weißer Bruder an mich gedacht?“
„Ja“, antwortete ich ebenso leise.
„Und geglaubt, daß ich komme?“
„Ja.“
„Kolma Putschi wollte eigentlich hin zu Winnetou, hätte aber dort bei ihm keine Deckung gehabt. Darum kroch ich zu Old Shatterhand, wo wir uns im Rücken der Wache befinden. Mein weißer Bruder mag mir sagen, was er wünscht; ich bin bereit, es zu hören!“
„Willst du uns befreien?“
„Ja.“
„Wo?“
„Das mag Old Shatterhand bestimmen; er wird es am besten wissen.“
„Hier noch nicht. Es muß so passen, daß wir die Gefährten auch gleich losmachen können. Aber wird mein roter Bruder uns folgen wollen?“
„Gern.“
„Wie lange und wie weit?“
„So lange und so weit, bis ihr frei geworden seid.“
„Hast du vielleicht gehört, was gesprochen worden ist?“
„Ja. Kolma Putschi lag hinter den Steinen und hörte alles.“
„Auch daß wir nach dem Squirrel-Creek wollen?“
„Auch das. Die Weißen wollen die Bonanza haben, die sich nicht dort befindet.“
„Kennt mein roter Bruder den Squirrel-Creek?“
„Es sind mir hier und noch viel weiterhin alle Gegenden bekannt.“
„Gibt es auf dem Weg nach diesem Creek vielleicht einen passenden Ort zu unserer Befreiung heut abend? Es müssen da viel mehr Bäume und Büsche stehen als hier, wo wir nur schwer an die Wächter kommen können und ein einziger Blick von ihnen genügt, uns alle zu übersehen.“
„Kolma Putschi kennt einen solchen Ort, den ihr grad zur passenden Zeit erreichen könnt, so daß es nicht auffällig ist, wenn ihr dort anhaltet. Aber werden die weißen Männer euch dorthin folgen?“
„Gewiß. Sie scheinen in dieser Gegend
Weitere Kostenlose Bücher