09 - Old Surehand III
als eben die letzten Schimmer der Dämmerung zu erlöschen begannen. Das war mir lieb, denn nun konnten die Tramps, falls ihnen der Ort nicht gefiel, nicht daran denken, bei finsterer Nacht einen andern aufzusuchen.
Ob wir uns an dem Spring befanden, den Kolma Putschi gemeint hatte, das wußte ich nicht genau, dachte aber, daß er es sein werde. Er kam unter einem kleinen, mit Moos bedeckten Steingewirr hervor, und zwar an einem engen Grasplatz, welcher von den Bäumen und Sträuchern in drei Abteilungen geteilt wurde. Diese Abteilungen boten zusammen für uns und die Pferde grad Raum genug, mehr nicht, was unsere Bewachung ungemein erschwerte. Uns konnte dies sehr lieb sein; Old Wabble aber, dem dieser Übelstand keineswegs entging, sagte, indem er abstieg, in mißmutigem Ton:
„Dieser Lagerplatz gefällt mir nicht. Wenn es nicht schon so finster wäre, würden wir weiterreiten, bis wir einen bessern fänden.“
„Warum sollte er uns nicht gefallen?“ fragte Cox.
„Der Gefangenen wegen. Wer soll sie bewachen?“
„Wir natürlich!“
„Da brauchen wir drei Wächter auf einmal!“
„Pshaw! Wozu wären die Fesseln da? Macht, daß wir sie von den Pferden bringen! Sobald sie liegen, sind sie uns sicher und gewiß!“
„Aber wir müssen doch drei Abteilungen machen!“
„Wer sagt das?“
„Der Platz zerfällt ja in drei Teile! Wollt Ihr etwa die Bäume niederhauen?“
„Fällt mir nicht ein! Die Gefangenen kommen alle hier in die eine Abteilung; die beiden andern sind für uns.“
„Und die Pferde?“
„Die schaffen wir hinaus ins Freie, wo sie angehobbelt werden. Da genügt ein Wächter für sie und einer für die Gefangenen.“
„Ja, wenn wir zwei Feuer anbrennen!“
„Ist auch nicht nötig! Ihr werdet gleich sehen, daß ich recht habe.“
Wir wurden von den Pferden genommen, wieder gefesselt und nach der einen Abteilung gebracht; dann ließ Cox da, wo die Abteilungen zusammenstießen, ein großes Feuer anbrennen, welches allerdings alle drei Teile erleuchtete. Hierüber sehr befriedigt, fragte er den alten Wabble:
„Na, habe ich recht gehabt oder nicht? Es genügt, wie Ihr seht, ein einziger Mann, die Kerls zu bewachen. Das ist alles, was Ihr verlangen könnt.“
Der Alte brummte etwas Unverständliches in den Bart und gab sich zufrieden. Und ich? Nun, ich war auch zufrieden, zufriedener wohl als er, denn das Lager hätte für unsere Zwecke gar nicht besser passen können, zumal bei der Einrichtung, welche Cox demselben gegeben hatte.
Ich war in die Mitte der kleinen Lichtung gelegt worden, hatte mich aber sogleich nach dem Rand derselben gewälzt, ein Manöver, welches auch von Winnetou ausgeführt und zu unserer Freude von den Tramps gar nicht beachtet wurde. Wir lagen mit den Köpfen am Rand des Gebüsches, und zwar hatten wir uns eine Stelle gewählt, wo die Sträucher nicht eng nebeneinanderstanden und es Kolma Putschi wahrscheinlich möglich war, zwischen und unter ihnen bis zu uns hindurchzukriechen. Der Platz war so klein, daß wir alle, die wir zusammengehörten, so eng beieinanderlagen, daß wir uns nicht nur berühren, sondern auch durch leise Worte verständigen konnten.
Bald erfüllte der Duft des Truthahnbratens die Luft. Die Tramps aßen, soviel sie konnten; wir aber erhielten – – – nichts.
„Die Kerls liegen so eng beisammen, daß man gar nicht zwischen ihnen hindurchkommen kann, um sie zu füttern“, sagte Old Wabble. „Sie mögen warten bis morgen früh, wenn es Tag geworden ist. Sie werden bis dahin nicht vor Durst und Hunger sterben; th'is clear!“
Was das Verhungern und Verdursten betrifft, so hatte ich keine Sorge, denn ich war überzeugt, daß wir noch während der Nacht uns satt essen und trinken würden. Dick Hammerdull, der wieder in meiner Nähe lag, nahm das aber nicht so leicht und sagte zornig:
„Ist das ein Benehmen! Nichts zu essen und kein Schluck Wasser! Wem da die Lust, Gefangener zu sein, nicht vergehen soll, den möchte ich kennenlernen! Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?“
„Wenn ich nichts bekomme, so meine ich auch nichts“, antwortete der Lange. „Hoffentlich hört diese fatale Geschichte nun bald auf!“
„Ob sie aufhört oder nicht, das bleibt sich gleich, wenn sie nur ein Ende nimmt. Darf man wissen, was Ihr dazu sagt, Mr. Shatterhand?“
„Wir werden sehr wahrscheinlich noch in dieser Nacht ein gutes Truthahnessen haben“, antwortete ich. „Schlaft nur nicht ein, und vermeidet alles, was geeignet
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